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Mitt Romney und Barack Obama während der zweiten Fernsehdebatte.

© Reuters

Republikaner sammeln Minuspunkte: Romney lässt sich "Ordner voller Frauen" bringen

Eine unbedachte Äußerung des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney über "Ordner voller Frauen" liefert Präsident Barack Obama Wahlkampfmunition. Gemeinsam mit seinem Vize Joe Biden spottet er über Romneys Formulierung.

Frauen sind die größte Wählergruppe und eine hart umworbene Klientel im US-Wahlkampf. Seit rund 30 Jahren beteiligen sich mehr Frauen als Männer an Wahlen in den USA und entscheiden häufig den Ausgang. Die zweite Fernsehdebatte hat sowohl Präsident Barack Obama als auch seinem Herausforderer Mitt Romney neue Munition geliefert im Kampf um weibliche Stimmen. Auf die vierte Frage aus dem Publikum – „Auf welche Weise wollen Sie die Ungleichheit am Arbeitsplatz abbauen, speziell den Umstand, dass Frauen 72 Prozent des Gehalts ähnlich gestellter männlicher Kollegen verdienen?“ – gaben sie unterschiedliche Antworten.

Obama verwies auf einen seiner herausragenden Gesetzgebungserfolge: den „Lilly Ledbetter Fair Pay Act“ von 2009. Dies Gesetz erleichtert es Frauen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen; die Republikaner hatten die Reform bekämpft. Obama erzählte während des TV-Duells von seiner Mutter, die allein zwei Kinder großzog und nebenher studierte; sein Vater hatte die Familie zwei Jahre nach seiner Geburt verlassen.

Romney wich der Frage nach der Bezahlung aus und betonte, dass er sich als Gouverneur von Massachusetts bemüht habe, Frauen in sein Kabinett zu holen und ihnen familienfreundliche Arbeitszeiten zu ermöglichen. Zunächst habe man ihm nur männliche Bewerber für die Ministerposten genannt, und er habe gefragt: „Könnt ihr keine qualifizierten Frauen finden?“ Dann habe er Frauenorganisationen um Hilfe gebeten, „und sie brachten uns Ordner voller Frauen“.

Wegen der Formulierung „Ordner voller Frauen“ greifen Romneys Gegner ihn nun an. Sie klinge herabsetzend und verrate sein konservatives Frauenbild. Außerdem bestritt die Organisation, die Romney damals geholfen hatte, Kandidatinnen für sein Kabinett zu finden, dessen Darstellung. Mitglieder des „Massachusetts Women’s Political Caucus“ sagten, die Initiative sei von ihnen ausgegangen, nicht von Romney. Sie hätten für mehr Frauen in Führungspositionen gekämpft und Unterlagen über qualifizierte Kandidatinnen zusammengestellt.

Nach ihrer Darstellung ging der Anteil weiblicher Führungskräfte in Romneys Regierungszeit in Massachusetts von 30 auf 28 Prozent zurück und stieg erst unter seinem demokratischen Nachfolger Deval Patrick wieder. Der „Boston Globe“ berichtete, die von Romney gegründete Investmentfirma Bain Capital habe unter seiner Leitung keinen einzigen weiblichen Miteigentümer gehabt. Er stellte aber Meg Whitman als Beraterin an, die später Vizechefin der Firma wurde und danach die Computerfirma Hewlett-Packard leitete.

Obamas Wahlkampfteam möchte die Widersprüche in Romneys Umgang mit Frauen in Wahlwerbespots nutzen. Ein durchschlagender Erfolg ist bisher nicht zu sehen. Der Präsident und sein Vize Joe Biden spotten nun bei Auftritten über die Formulierung „Ordner voller Frauen“.

Romney weicht der Frauen-Frage bei seinen Wahlveranstaltungen nicht aus. Für die Frauen sei es entscheidend, ob sie selbst einen guten Job finden und ob der Partner Arbeit habe, argumentiert er. Und er verstehe mehr davon als Obama, wie man Arbeitsplätze schaffe. Dafür bekommt er verlässlich Beifall.

Laut Umfragen hat Romney seinen Anteil an weiblichen Wählern in den letzten Wochen sogar ausbauen können. Im Regelfall wählen Frauen überwiegend die Demokraten, die Männer mehrheitlich die Republikaner. Dieser Unterschied im Wahlverhalten der Geschlechter heißt „Gender Gap“ und liegt im Normalfall um sieben Prozent. Das Bild der Umfragen ist widersprüchlich. Eine landesweite Erhebung von Pew und eine Gallup-Umfrage in zwölf wahlentscheidenden Bundesstaaten verzeichnete einen Gleichstand zwischen Obama und Romney bei weiblichen Wählern. Eine neue Umfrage der „Washington Post“ sieht Obama mit 51 zu 47 Prozent in Führung.

Und was ist im TV-Duell noch alles schiefgegangen - oder auch nicht? Hier geht es zu unserem Live-Blog zum Nachlesen.

Übrigens: Tagesspiegel-Meinungschef Malte Lehming berichtet in einem Countdown zur Wahl täglich aus den USA. Hier finden Sie alle Texte.

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