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Spurensicherung:

© REUTERS

Politik: Residenz unter Beschuss

Unbekannte feuern auf den Wohnsitz des deutschen Botschafters in Athen Schüsse treffen auch Kinderzimmer / Stecken Linksextremisten hinter der Tat?

Athen - Die Residenz des deutschen Botschafters in Athen liegt nicht gerade in einer ruhigen Gegend. Der Wohnsitz des Diplomaten befindet sich vielmehr an der viel befahrenen Straße des Nationalen Widerstandes im Athener Vorort Chalandri. Doch nicht vom Verkehrslärm wurden Hausherr Wolfgang Dold und seine Familie am frühen Montagmorgen gegen 3 Uhr 30 geweckt, sondern von Gewehrsalven.

Mehrere Männer hatten sich aus einer gegenüberliegenden Seitenstraße dem Haus genähert und es mit automatischen Waffen unter Beschuss genommen. Mehrere Geschosse schlugen in die Fassade der Botschafterwohnung ein, andere in den hohen stählernen Sicherheitszaun, der das Grundstück umgibt. Eine der Kugeln schlug in einem Kinderzimmer der Familie des Botschafters ein. Verletzt wurde niemand, auch nicht der Polizist, der in einem schusssicheren Unterstand am Tor der Residenz Wache hielt. Der Beamte seinerseits machte von seiner Maschinenpistole keinen Gebrauch – wegen der gegenüberliegenden Wohnhäuser, wie es offiziell heißt. Nach wenigen Augenblicken verschwanden die Schützen unerkannt. Die mutmaßlich vier Attentäter entkamen wahrscheinlich mit zwei Motorrädern. Eine wenig später eingeleitete Großfahndung der Polizei blieb zunächst ohne konkretes Ergebnis. Am Tatort fanden die Ermittler rund 60 Patronenhülsen. Bei den Tatwaffen handelt es sich vermutlich um Kalaschnikow-Sturmgewehre. Die Polizei erhofft sich jetzt von der Auswertung zahlreicher Sicherheitskameras Erkenntnisse über die Täter. Es könnte sich um Mitglieder einer linksextremen Terrorgruppe handeln.

Die griechische Regierung verurteilte den Angriff scharf. Man werde die Täter fassen und vor Gericht stellen, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Die Sicherheitsmaßnahmen für deutsche Diplomaten in Athen wurden verstärkt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte ebenfalls den Anschlag, der durch „nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen“ sei. Es werde den Tätern nicht gelingen, die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland kaputtzumachen, erklärte Steinmeier.

Die nächtlichen Gewehrsalven waren nicht der erste Angriff auf die deutsche Botschafterresidenz in Athen. In der Nacht zum 17. Mai 1999 hatten Terroristen mit einer Panzerfaust auf das Gebäude gefeuert. Ihr Ziel war offenbar ein Fenster im ersten Stock der Residenz, wo sich auch die Schlafzimmer befinden. Die Granate schlug jedoch im Dach des Gebäudes ein, ohne zu explodieren. Zu dem Anschlag bekannte sich die Untergrundorganisation „17. November“. Sie hat von 1975 bis zu ihrer Zerschlagung im Jahr 2002 zahlreiche Anschläge verübt, bei denen 23 Menschen getötet wurden.

Anlässlich des Anschlags vom Montag unterstreichen jetzt zwar Diplomaten und Politiker die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland. Die Euro-Krise hat aber beide Länder entfremdet. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sind in Griechenland die mit Abstand unbeliebtesten ausländischen Politiker. Sie gelten als treibende Kraft hinter den Auflagen für die EU-Hilfskredite, die viele Griechen als „Spardiktat“ empfinden.

Während noch im Jahr 2005 in einer Umfrage 78 Prozent der befragten Griechen eine „gute Meinung“ von Deutschland hatten, sind es heute nur noch 33 Prozent. Nach einer Umfrage vom Herbst 2013 sehen sogar 23 Prozent der Griechen in Deutschland „eine Bedrohung“ für ihr Land. Gerd Höhler

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