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Politik: Richter von Bushs Gnaden

Nach der Ernennung eines konservativen Kandidaten drängen die Demokraten nun auf eine liberale Besetzung für die zweite Vakanz

Der Oberste Gerichtshof der USA wird seine neue Sitzungsperiode am Montag aller Voraussicht nach unter dem Vorsitz von John Roberts beginnen. Am Donnerstag wurde dessen sichere Wahl durch das Plenum des Senats erwartet – einer der wenigen klaren Erfolge für Präsident George W. Bush in diesen Tagen. Der Oberste Richter ist eines der drei höchsten Verfassungsorgane der USA. Der Justizausschuss des Senats hatte die Bestätigung des 50-Jährigen empfohlen. Auch mehrere Demokraten votierten für Bushs Kandidaten, der die mehrtägigen Anhörungen souverän gemeistert hatte und als einer der besten Juristen des Landes gilt.

Roberts wird vermutlich am Freitag im Supreme Court vereidigt, womöglich in Anwesenheit von Präsident Bush. Der letzte präsidiale Besucher im Gerichtssaal war Bill Clinton gewesen – bei der Vereidigung seines Kandidaten Stephen Breyer im August 1994.

Als erster Fall für den 3. Oktober steht der Streit „Tum gegen Barber Foods“ um Arbeitszeit auf der Tagesordnung: Fällt die Wegzeit zwischen dem vorgeschriebenen Kleidungswechsel vor und nach der Arbeit und dem Arbeitsplatz unter bezahlte Arbeitszeit oder nicht? Danach folgt der Fall „Wagnon gegen Prairie Band Potawatomi Nation“: Wie weit gilt die Steuerfreiheit auf Benzin in Indianerreservaten? Der Oberste Gerichtshof nimmt pro Jahr rund 80 bis 90 der an ihn herangetragenen 8000 Fälle zur Verhandlung an – vor allem Streitfragen, die von den verschiedenen regionalen Gerichtshöfen kontrovers entschieden wurden.

Der politische Kampf konzentriert sich nun auf die Besetzung eines weiteren vakanten einfachen Richterpostens am Supreme Court. Die 65-jährige Sandra Day O’Connor, die 1981 von Ronald Reagan ernannt worden war, sich aber als Liberale erwies, hatte vor der Sommerpause ihren Rücktritt erklärt. Bush hatte Roberts zunächst für ihre Nachfolge vorgeschlagen. Als im August der Oberste Richter William Rehnquist 80-jährig starb, nominierte Bush Roberts für den Vorsitz. Die Richter des Supreme Court werden auf Lebenszeit ernannt, um ihre Unabhängigkeit zu garantieren.

Die Demokraten verlangen, Bush solle zum Ausgleich eine moderate Person wie Day O’Connor wählen. Jene Senatoren, die gegen Roberts stimmten, zweifelten nicht an dessen Qualifikation, sondern wollten Druck auf das Weiße Haus ausüben. Konservative Medien wie die „Washington Times“ fordern Bush auf, einen strammen Rechten zu nominieren, um sein „politisches Erbe zu sichern“. Er habe durch seine überzeugende Wiederwahl das klare Mandat dazu.

Bushs Sprecher Scott McLellan sagte, der Präsident habe sich mit 70 Senatoren beraten – ein Signal des Entgegenkommens. Als neue Favoritin nannten US-Medien am Donnerstag die 60-jährige Harriet Miers aus Texas. Sie war die erste Frau, die dort Mitinhaberin einer bedeutenden Anwaltskanzlei wurde, und hatte Bush früher politisch beraten. Zwölf Namen werden als aussichtsreich genannt, darunter Generalstaatsanwalt Alberto Gonzales. Er wäre der erste Hispanic am Obersten Gericht. Bush hatte ihn zum ersten Vertreter der Minderheit auf diesem juristischen Topposten ernannt.

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