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Politik: Riesendeals und Riesenärger

Wegen der Vorzugsbehandlung für Gaddafi bekommt Frankreichs Präsident Probleme im eigenen Lager

Der Staatsbesuch des libyschen Staatsführers Muammar Gaddafi in Paris erregt weiter Anstoß. Die Unterzeichnung lukrativer Verträge sei kein Argument, über Menschenrechte zu schweigen, meinte Oppositionschef François Hollande und empfahl Nicolas Sarkozy die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Vorbild: „Sie hält in ihren Reden an den Grundsätzen und Menschenrechten fest, trotzdem hat Deutschland einen Handelsüberschuss von 135 Milliarden.“

Rund zehn Milliarden sollen die Verträge, die Oberst Gaddafi während des Staatsbesuchs unterzeichnet hat oder noch unterschreiben will, der französischen Außenwirtschaft einbringen. Das kündigte der stolze Gastgeber, Präsident Nicolas Sarkozy, gleich am ersten Besuchstag an. Neben dem Kauf von 21 Airbus-Flugzeugen handelt es sich um diverse Rüstungsaufträge: Libyen bestellt Hubschrauber und Panzer, über die Lieferung von 14 der hochmodernen Rafale-Kampfjets (4,5 Milliarden Euro), die die Firma Dassault bisher nie exportieren konnte, laufen angeblich „Exklusivverhandlungen“. Außerdem soll dank des Staatskonzerns Areva mindestens ein Atomreaktor in Libyen installiert werden. Mehr als 80 französische Firmenchefs haben Interesse an einer Begegnung mit der Delegation aus Libyen angemeldet.

Sarkozy ist sich bewusst, dass für viele Landsleute die herzliche Freundschaft mit dem Enfant terrible aus dem Maghreb ein bisschen plötzlich kommt. Laut Umfragen billigen es 61 Prozent der Franzosen und Französinnen nicht, dass der libysche Staatsführer derart mit allen Ehren empfangen wird. Schon beim ersten Treffen am Montag und beim anschließenden Abendessen habe er darum seinen Gast gemahnt, weitere Fortschritte im Bereich der Menschenrechte zu machen, ließ Sarkozy mitteilen. Der Libyer allerdings konnte oder wollte sich in einem Fernsehinterview nicht erinnern, dass dieses Thema bei der Begegnung überhaupt angeschnitten wurde.

Beim Besuch der Nationalversammlung am Dienstag fehlten nicht nur die Parlamentarier der Opposition, sondern auch einige Volksvertreter von Sarkozys Regierungspartei UMP. Einer von ihnen, der Abgeordnete Lionel Luca, meinte: „Nichts verpflichtet uns, jemanden hier zu empfangen, der für zahlreiche Terrorakte verantwortlich ist. Für Diktatoren hat es keinen Platz in der Nationalversammlung.“ Gaddafi wurde die nicht häufige Ehre erwiesen, vor dem Parlament auch noch eine Rede zu halten. Zuvor hatte Sarkozy die Staatssekretärin für Menschenrechte Rama Yade zurechtgewiesen, die gesagt hatte, Frankreich sei kein „Türvorleger, auf dem sich ein Staatsführer, ob er nun Terrorist sei oder nicht, das Blut seiner Untaten von den Füßen wischen kann“. Der Generalsekretär des Präsidenten, Claude Guéant, relativierte Yades Bemerkung offiziell als persönliche „Empfindungen“. Sie seien nicht „die Stimme Frankreichs“.

Rudolf Balmer[Paris]

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