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Rom: Der Papst darf in den Tempel

Nach einigen Irritationen kann Benedikt XVI. nun doch die Synagoge in Rom besuchen. Die jüdischen Verstimmungen sind beiseite geschafft.

Vor einem Jahr haben Italiens Katholiken und Italiens Juden ihren traditionellen „Tag des Dialogs“ erstmals in getrennten Räumen veranstaltet; am kommenden Sonntagnachmittag strömen sie alle wieder, ideell zumindest, in der Synagoge von Rom zusammen. Die jüdischen Verstimmungen über Benedikt XVI. sind beiseite geschafft. Laut Chefrabbiner Riccardo Di Segni hat man zwar „eher einen politischen Waffenstillstand als einen wahren Frieden erreicht“; das zeitweise ungewisse jüdisch-katholische Gipfeltreffen kann aber stattfinden. Der Papst ist im „Großen Tempel“ willkommen.

Wie wackelig das Terrain noch ist, zeigt sich in zwei Äußerungen aus den jüngsten Tagen. Chefrabbiner Di Segni sagt: „Bei diesem Besuch kommt es auf die kleinsten Feinheiten an, in der Art des Empfangs und bei den Worten, die gesprochen werden.“ Kardinal Walter Kasper, der vatikanische „Minister“ für die katholisch-jüdischen Gespräche, sagt: „Der Besuch ist ein Zeichen dafür, dass der Dialog vorangeht. Das ist schon sehr positiv.“

Verstört hat Benedikt die Juden gleich mehrfach. Da war – vor ziemlich genau einem Jahr – die Rehabilitierung des Traditionalistenbischofs Richard Williamson, der den Holocaust leugnet; da war die Rückkehr zu einem Karfreitagsgebet, in dem die Juden den ungehörigen Aufruf zu ihrer Bekehrung lasen; da war vor wenigen Wochen die Verleihung des „heldenhaften Tugendgrades“ an Pius XII., mit der Benedikt den Weg bereitet hat für die Seligsprechung eines Papstes, dem Kritiker anlasten, er habe zu Hitlers Judenvernichtung geschwiegen.

Roms jüdische Gemeinde, die sich viel darauf zugute hält, älter zu sein als die katholische Kirche, ist gespalten. Einige der ganz wenigen, die den Holocaust überlebt haben – aus Rom wurden 1943 mehr als 2000 Juden in deutsche Vernichtungslager gebracht –, wollen dem Besuch gerade eines deutschen Papstes fernbleiben; unter ihnen ist auch der Vorsitzende der Italienischen Rabbinerkonferenz, Giuseppe Laras. Andere weisen darauf hin, dass die katholische Kirche zur Zeit der Naziherrschaft einige tausend Juden versteckt und damit gerettet hat.

Einige sehen gerade in der Karfreitagsfürbitte eine Abkehr vom theologischen Dialog, andere – auch wenn sie Ratzinger als „harten Knochen“ betrachten – sagen, ein Theologe, der zeit seines Lebens die Nähe zwischen Christen- und Judentum hervorgehoben habe, sei der beste Garant für die Fortsetzung des Dialogs.

Wieder andere bedauern, dass es in Rom keinen Papst mit Ausstrahlung mehr gibt. Sie erinnern an Johannes Paul II., der 1986 als erster Papst überhaupt zu Gast in einer Synagoge war, der die Juden dabei voller Herzlichkeit als „unsere großen Brüder“ bezeichnete und theologische Feinheiten eher mit persönlicher Autorität überspielte.

War Johannes Pauls Besuch „historisch“, so gilt Benedikts Visite als „Fortsetzung“. Honoratioren beider Seiten werden in der glanzvollen Synagoge ein festliches Spalier bilden; aus Jerusalem reist – auch zu darauf folgenden Gesprächen mit der vatikanischen Dialogkommission – eine Delegation des Obersten Rabbinats an. Israels Regierung schickt angeblich einen Vize-Premierminister.

Für Benedikt XVI. ist es nach beinahe fünf Jahren Pontifikat nicht die erste Begegnung mit dem Judentum. Zwei Synagogen – die in Köln und eine in New York – hat er bereits besucht; im Mai 2009 war er in Israel, und drei Jahre vor der dortigen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat er das ehemalige KZ Auschwitz- Birkenau besucht.

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