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Politik: Rot-Grün und Union einig über Versammlungsrecht

Nur überregional bedeutsame Gedenkorte für NS-Opfer werden geschützt / Keine neue Bannmeile

Berlin - Nach langem Tauziehen haben sich die Koalitionsparteien mit der Union auf ein schärferes Versammlungsrecht geeinigt. Damit wird ein Inkrafttreten des neuen Rechts noch vor der für den 8. Mai angemeldeten NPD-Kundgebung vor dem Brandenburger Tor wahrscheinlich, wenn der Bundestag das Gesetz am Freitag beschließt und der Bundesrat Ende der kommenden Woche keinen Einspruch erhebt. Offen blieb, ob die Koalitionsfraktionen den neuen Gesetzentwurf gemeinsam mit der Union im Bundestag einbringen werden. Darüber wollen die Fachpolitiker der Fraktionen am Mittwoch im Innenausschuss beraten. Eine Zustimmung der Union gilt gleichwohl als sicher. Die FDP lehnt den Gesetzentwurf dagegen ab.

Der nach einer Expertenanhörung im Innenausschuss am Dienstag erneut modifizierte Entwurf der Koalition sieht zum einen eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes vor. Demnach kann eine Demonstration künftig verhindert werden, die an Gedenkstätten „von überregionaler Bedeutung an die Opfer unter der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert“ und die Würde der Opfer beeinträchtigt. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin wird als schützenswerter Gedenkort im Gesetz ausdrücklich erwähnt.

Anders als ursprünglich vorgesehen sollen nun jedoch die Länder weitere Gedenkorte festlegen können. „Das war unsere Bedingung“, sagte CDU-Innenexperte Hartmut Koschyk dem Tagesspiegel. Auch der zweite Bestandteil des Vorhabens findet jetzt die Zustimmung der Union. Er sieht vor, den Strafrechtstatbestand der Volksverhetzung auszuweiten. Ein Extremist, der auf einer Kundgebung die NS-Herrschaft „billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“ und damit die Würde der Opfer verletzt, soll künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz äußerte sich über die Zustimmung der Union erleichtert. Mit dem neuen Versammlungsrecht habe man jetzt „zusätzliche Instrumentarien“, um Aufmärsche von Neonazis wie im bayerischen Wunsiedel oder am 8. Mai vor dem Brandenburger Tor zu verbieten. Auch die Grünen begrüßten die Einigung. Keine Zukunft hat dagegen der von der Union mittlerweile abgeänderte Vorschlag, die Bannmeile um den Reichstag um das Brandenburger Tor zu ergänzen. Wiefelspütz nannte den Entwurf „weiße Salbe“, da sich damit Neonazi-Aufmärsche nur dann verbieten ließen, wenn das Parlament tage. Der SPD-Innenexperte ließ allerdings durchblicken, dass seine Partei für eine schärfere Bannmeilenregelung „im Prinzip offen“ gewesen sei. „Aus Rücksicht auf unseren Koalitionspartner werden wir jedoch nicht zustimmen“, sagte Wiefelspütz. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, bezeichnete den CDU-Vorschlag als „pure Symbolik“. „Dann würde die NPD einfach demonstrieren, wenn das Parlament nicht tagt - und die Politik hätte sich blamiert“.

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