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Politik: Rudolf Scharping: Wer fliegen will, muss fühlen

Auf diesen Moment hat Uwe-Karsten Heye gewartet. Dass die Frage gar nicht ihm galt, sondern dem Herrn rechts von ihm auf dem Podium, lässt den Regierungssprecher kalt.

Von Robert Birnbaum

Auf diesen Moment hat Uwe-Karsten Heye gewartet. Dass die Frage gar nicht ihm galt, sondern dem Herrn rechts von ihm auf dem Podium, lässt den Regierungssprecher kalt. "Alle Teile dieser Meldung sind frei erfunden", sagt Heye, ein Satz, dem der Herr rechts von ihm "nichts mehr hinzuzufügen" hat. Die Meldung ist eine von der Art, wie sie die Nachrichtenagenturen normalerweise höchstens als Schmunzelstück im Ressort "Vermischtes" verbreiten. Am Freitag aber läuft unter "Politik", was die Klatschpostille "Neue Revue" glaubt erfahren zu haben: Verteidigungsminister Rudolf Scharping habe bei Bundeskanzler Gerhard Schröder über Weihnachten Urlaub in der Karibik eingereicht und sei vom Chef erst unter Gebrüll davon abgebracht worden: Die Worte "Wenn du fliegst, fliegst du" seien im Kanzleramt weithin zu hören gewesen.

Dass es solcherlei Geschichten bis in die Nachrichten-Spalten schaffen, hat sich Scharping freilich zu guten Teilen selbst zuzuschreiben. Wieder einmal steht der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt unter Druck, fordert die Opposition seine Entlassung. Nicht wegen der "Revue", sondern wegen Äußerungen am Rande des Nato-Rats in Brüssel. Was Scharping beim Hintergrund-Gespräch mit Journalisten - als "deutscher Regierungskreis" notdürftig getarnt - gesagt hatte, machte weltweit Schlagzeilen. "USA nehmen als nächstes Somalia ins Visier" - so und ähnlich hatten ihn seine Zuhörer verstanden. Absehbar, dass auch die Reaktion entsprechend weltweit ausfiel: "Unsinn" nannte der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, was der "Deutsche" verbreitet hatte.

In Berlin wusste zu diesem Zeitpunkt längst jeder, wer der Anonymus war. Dass es anderntags in einer Zeitung stehen würde, war absehbar. Doch intern war die Entscheidung gefallen: Scharping, in letzter Zeit schon mehrfach rücktrittsreif, würde auch über diese Sache nicht stolpern. Zumal, so ein Kalkül im Kanzleramt, über Weihnachten sich die Gemüter vielleicht beruhigen werden, und die Opposition sich mutmaßlich nicht traut, die Bundestagsdebatte am Sonnabend über den wohl gefährlichsten deutschen Militäreinsatz mit der peinlichen Lappalie allzu sehr zu befrachten.

Seither lautet die stillschweigende amtliche Linie: Wir erklären das alles zum dummen Missverständnis. In Scharpings Äußerungen sei "etwas hineingeheimnist worden", verkündete der Kanzler am Donnerstagabend. Als in der Unterrichtung der Partei- und Fraktionschefs über den neuen Afghanistan-Einsatz am Freitagmittag Unionsfraktionschef Friedrich Merz die Sache noch einmal ansprach, lautete Schröders Auskunft ähnlich: Scharping habe das alles "gar nicht so gesagt".

Scharping selbst bleibt jede Auskunft schuldig: Er wolle nicht spekulieren. Man kann das wohl generell als guten Vorsatz für das neue Jahr bewerten. "Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe. Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass das durchaus hilfreich sein kann." Das hat er sich neulich schon mal vorgenommen. Ein paar Monate lang ist es sogar gut gegangen.

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