zum Hauptinhalt

Politik: Rückschlag für Nordirlands Friedensprozess

Trotz britischem Ultimatum keine Regierungsbildung in Sicht / Parlament wegen Bombendrohung geräumt

Die Hauptdarsteller haben sich zwar geweigert, dem Drehbuch zu folgen, aber der Regisseur befand trotzdem, es sei eine befriedigende Aufführung gewesen. Der britische Premierminister Tony Blair erklärte am Freitag, die nordirischen Parteien hätten sein Ultimatum für die Rückkehr zu einer einheimischen Regierung erfüllt. Deshalb werde er am Terminplan, wie er im Oktober in Schottland von der britischen und der irischen Regierung vorgeschlagen worden war, festhalten. Am 7. März 2007 soll ein neues nordirisches Parlament gewählt werden, am 26. März übernähme dann eine Zwangskoalition unter der Führung des 80-jährigen Protestantenpfarrers Ian Paisley die Verantwortung. Sein Stellvertreter wäre der ehemalige Kommandant der nordirischen Untergrundorganisation Irish Republican Army (IRA), Martin McGuinness.

Der schottische Kompromiss hatte vorgesehen, dass die Parteien bis am 24. November ihre Kandidaten für die beiden Führungsämter nominierten. Doch Pfarrer Paisley weigerte sich, das zu tun. Denn Sinn Fein, der politische Flügel der IRA und seine künftige Regierungspartnerin, habe noch keinerlei Anstalten gemacht, die nordirische Polizei und das Gewaltmonopol des Staates anzuerkennen. Erst wenn ein Sonderparteitag Sinn Feins dies gebilligt habe, sei er womöglich bereit, sein Ja-Wort zu geben. Sinn Fein allerdings bekundete keine Mühe, McGuinness für das Stellvertreteramt zu nominieren. Allein, das sorgfältig geplante Manöver wurde am Freitagmorgen durch eine Bombendrohung im Parlamentsgebäude unterbrochen. Michael Stone, einst Mitglied der protestantischen Untergrundorganisation UDA, warf einen Rucksack ins Foyer des Parlaments und sprühte mit roter Farbe den Satz „Sinn Fein und die IRA sind Mörder“ auf die Fassade. Anschließend wurde der Plenarsaal evakuiert, und die Politiker begaben sich in die Rundfunk- und Fernsehstudios. Stone hatte 1988 anlässlich eines IRA-Begräbnisses in West-Belfast drei Mitglieder der Trauergemeinde erschossen. Seither hat er sich als Maler und Buch-Autor versucht. Über seine geistige Gesundheit gibt es geteilte Ansichten, aber sein Sabotageversuch weckt Erinnerungen an frühere Gewalt, die es heute nicht mehr gibt.

Die auf pure Hoffnung gestützte Politik der irischen und der britischen Regierung übersieht, dass sich Paisleys Partei und Sinn Fein seit den Verhandlungen in Schottland kaum bewegt haben. Die Politiker beteuern zwar, sie wollten die britische Direktverwaltung durch eine einheimische Regierung ersetzen, aber sobald es konkret wird, finden sie Ausflüchte.

Sinn Fein pocht auf ein konkretes Datum vor dem Sonderparteitag, an dem die Kompetenzen von Justiz und Polizei von London nach Belfast übertragen werden sollen. Paisleys Leute indessen behaupten, dieser Schritt werde kaum zu ihren Lebzeiten erfolgen, und verweigern deshalb das Koalitionsversprechen, bevor Sinn Fein sich nicht hinter die Polizei stellt. Die Regierungen beider Seiten falten unterdessen in diesen Tagen die Hände. Denn die Politiker hoffen inbrünstig, dass bis März doch noch ein Ausweg aus dem Patt gefunden wird.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false