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Politik: Rügen in jede Richtung

Bundespräsident Rau mahnt die USA, sich an die UN zu halten – und kritisiert die Deutschen für deren Schelte gegen Bush

In Berlins Gorki-Theater stand am Montag viel Prominenz und debattierte Deutschlands Außenpolitik. Bundespräsident Johannes Rau hatte gerade „mangelnde Ernsthaftigkeit“ und „falsche, überzogene Personalisierung“ gerügt. Erneut ein Ordnungsruf Raus? Hat der Bundespräsident sich mit der rot-grünen Regierung angelegt?

Nein, seine Kritik galt allen. Rau nutzte seine vierte „Berliner Rede“ zu einem Grundsatzreferat mit Rügen in vielerlei Richtung. Zwei rote Fäden legte er: Europa als Kernprojekt und die Suche nach einer außenpolitischen Kultur statt der konturlosen Sprunghaftigkeit aktueller Streitigkeiten. Der transatlantische Dialog müsse verstärkt werden, so Rau. Nach dem Irak-Krieg brauche es „Mut zur Zivilität“ – in den vergangenen Monaten sei „vorrangig und viel zu sehr“ über Militärisches gesprochen worden. Mutig war Raus Einschätzung, der 11. September und der Irak-Krieg hätten auf ähnliche Weise Entsetzen und Hilflosigkeit ausgelöst.

Ziel deutscher Außenpolitik müsse „eine gerechte internationale Ordnung“ sein, forderte Rau. Solche Weltinnenpolitik funktioniere nur multilateral, und dies gehe nur, wenn das Völkerrecht modernisiert werde. Es dürfe nicht länger Diktatoren schützen, „die ihre Völker misshandeln“. Aber: „Auch in Zukunft kann kein Staat für sich das Recht auf Intervention beanspruchen.“ Nur innerhalb der Vereinten Nationen könne die nötige Verständigung stattfinden.

Dies war die Kritik an den USA, so wie die Schelte für die „Personalisierung“ eine Rüge der deutschen Kritik an Bush war. Keine Kritik übte Rau an Paris: „Frankreich ist und bleibt unser entscheidender Partner.“ Europa war Raus Kernthema, wenn es um die konkreten Schritte hin zur multilateralen Rechtsordnung geht. Noch gelte leider: „Der EU fehlen Geschlossenheit und Stärke.“ Doch an der Seite Amerikas wünscht sich Rau ein „selbstbewusstes und starkes Europa“.

Rau nahm etliche Forderungen aus seiner Vorjahres-Rede über die Globalisierung auf und verlangte eine striktere Kontrolle der internationalen Finanzmärkte, höhere Ausgaben für die Entwicklungshilfe und konsequente Bekämpfung von Armut und Seuchen. Sein Appell, die Welt da draußen ernster zu nehmen, beinhaltete auch Kritik am deutschen Parlamentarismus. Wer in den Bundestags-Fraktionen Außenpolitik betreibe, dürfe nicht länger als Exot betrachtet werden. Nicht immer sei der Bau einer Umgehungsstraße wichtiger als Deutschlands Verhältnis zum Rest der Welt.

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