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Ursula von der Leyen kämpft derzeit an vielen Fronten ihres schwierigen Ministeriums.

© dpa

Rüstungsgutachten der Bundeswehr: Eine Frage der Kultur

Das von Ursula von der Leyen in Auftrag gegebene Rüstungsgutachten externer Experten benennt vor allem bereits bekannte Probleme. Doch die Ministerin will nun aufräumen.

Am Ende ist es wieder einmal die „Kultur des Hauses“, die für die Pannen im Verteidigungsministerium verantwortlich gemacht wird. Und die Liste der Pannen ist lang. Verzögerungen bei großen Beschaffungsaufträgen, Preisexplosionen und immer neue Mängel an der Ausrüstung, mit der deutsche Soldaten in immer neue Einsätze ziehen. Demnächst möglicherweise in die Ukraine oder in den Nordirak. Dabei musste Ministerin Ursula von der Leyen erst kürzlich eingestehen, dass Deutschland seine Zusagen an die Nato, was die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr angeht, im Ernstfall gar nicht einhalten könnte.

Illusorische Zusagen

Offenbar keine neue Erkenntnis, denn die Zusage, im Bündnisfall 60 Eurofighter zur Verfügung zu stellen, ist rein rechnerisch ohnehin unrealistisch, gilt doch für die insgesamt 108 Eurofighter der Bundeswehr die Faustregel: ein Drittel ist in der Luft, ein Drittel wird gewartet, ein Drittel umgerüstet. Doch warum werden der Nato offensichtlich illusorische Zusagen gemacht? Möglicherweise, weil in den unendlichen Meldeketten des Verteidigungsministeriums die Lage nach oben hin immer schöner geredet wird.

Unrealistische Planung

Zu diesem Schluss kommt auch die am Montag an die Ministerin übergebene Bestandsaufnahme einer unabhängigen Expertengruppe über die wichtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr. Um politischen oder bündnispolitischen Wünschen gerecht zu werden „kommt es oftmals zu unrealistischen und allzu optimistischen Zeit- und Kostenplanungen“, heißt es in dem Gutachten. Risiken würden häufig erst wahrgenommen, wenn sie zu Problemen geworden seien. Und auch dann würden sie kaum transparent gemacht - ein Umstand, der den Posten des Verteidigungsministers zu einem wahren Schleudersitz werden ließ. Nicht ohne Grund ist Liste der Verteidigungsminister eng verknüpft mit der Liste von Beschaffungsskandalen.

Schlank rechnen und schweigen

Großprojekte werden am Anfang schlank gerechnet, um sie im Haushaltsausschuss durchzubringen. Später tun sich dann fast zwangsläufig Finanzlücken auf, von denen die Leitung aber meist erst erfährt, wenn sich die Angelegenheit zu einem Skandal ausgeweitet hat. Leyen ist nicht die erste, die das Schweigekartell im Bendler-Block knacken will. Schon Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich daran versucht und zuletzt ihr Amtsvorgänger Thomas de Maizière, der beinahe über das Debakel um die Beschaffung der Euro-Hawk-Drohne gestolpert wäre. Leyen geht dabei aber deutlich konsequenter vor. Sie rückt der Kultur des Hauses mit einem wahren Kulturbruch zu Leibe – indem sie eine Unternehmensberaterin zur Staatssekretärin für Rüstungsprojekte machte und externe Gutachter die neun wichtigsten Projekte unter die Lupe nehmen ließ.

Schlechtes Vertragsmanagement

Zum Teil kam dabei Haarstreubendes heraus. So wurde zum Beispiel für die Bestellung des Schützenpanzers Puma nach Ministeriumsangaben vom Montag ein Mustervertrag aus dem Intranet des Hauses heruntergeladen, in dem auf den Puma gar nicht direkt Bezug genommen wird. Kaum jemand im Ministerium hat zudem einen Überblick über die Beschaffungsverträge, weiß, welche Fristen bei Auftragsanpassungen einzuhalten sind oder welche Rechtsposition sich aus ihnen ableiten lässt. „Dem Bund gelingt es häufig nicht, seine Kosten- Termin- und Leistungsziele gegenüber dem Auftragnehmer durchzusetzen“, heißt es dazu fast verharmlosend im Gutachten. Klar ist: Bei 7700 Neuverträgen allein 2013 schlummert hier ein enormes finanzielles Risiko. Am Ende sitzt die Industrie meist am längeren Hebel, und der Bund bleibt auf den Mehrkosten für seine Großprojekte sitzen.

Keine Schonzeit für die Industrie

Es fehle der Wettbewerb, urteilen die Gutachter. Doch das soll sich nun ändern. Wie am Montag aus Regierungskreisen verlautete, will die Koalition Schlüsseltechnologien definieren, die unbedingt am Standort Deutschland gehalten werden sollen. Aus Sicht des Verteidigungsministeriums gehören dazu vor allem Aufklärungs- und Verschlüsselungstechnologien. Hier will man sich vor feindlicher wie vermeintlich freundlicher Spionage schützen. Bei Großgeräten wie Flugzeugen oder Schiffen hingegen besteht aus Sicht der Verteidiger keine zwingende Notwenigkeit, auf deutsche Produkte zurückzugreifen. „Es ist nicht Aufgabe der Regierung, die Industrie zu konsolidieren“, hieß es aus Regierungskreisen. Man stehe hier aber erst am Anfang einer Debatte innerhalb der Koalition, in der es auch um die Frage gehen müsse, bei welchen Rüstungsgütern Deutschland eine internationale Marktführerschaft habe, die nicht verspielt werden sollte. Die Industrie selbst wird diese Debatte kritisch verfolgen. Am Montag waren ihre Vertreter bereits ins Leyen-Ministerium eingeladen, wo die neue Staatssekretärin Katrin Suder sie über das Rüstungsgutachten der externen Experten unterrichtete – vertraulich versteht sich.

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