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Politik: Rüttgers sauer auf Merkel

Kein CDU-Mitglied aus Nordrhein-Westfalen im Kabinett / Jetzt soll Wahlniederlage aufgearbeitet werden

Am frühen Montagmorgen war die Welt von Jürgen Rüttgers noch in Ordnung. „Ich glaube, dass wir in Nordrhein-Westfalen zufrieden sein können“, antwortete der nordrhein-westfälische CDU-Chef auf die Frage des Deutschlandfunkmoderators, der hatte wissen wollen, ob der größte Landesverband bei den Personalentscheidungen der künftigen Kanzlerin auch gebührend berücksichtigt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war für Rüttgers noch klar, dass mit Norbert Röttgen mindestens einer aus seinen Reihen als Minister ins Kanzleramt einziehen werde. Wenig später wusste er es besser. Angela Merkel teilte ihm kühl mit, dass sie sich anders entschieden und Thomas de Maizière gebeten habe, die Regierungszentrale zu steuern. Was Rüttgers der Parteichefin im direkten Gespräch gesagt hat, ist nicht überliefert – ein sicheres Zeichen dafür, dass die Unterhaltung nicht besonders freundlich verlaufen ist.

Im Landesverband zwischen Rhein und Weser kochte die Wut hoch. Hinter vorgehaltener Hand schimpften viele Parteifreunde mit wenig schmeichelhaften Worten auf die designierte Kanzlerin, nur einige wenige ließen sich offiziell zitieren. Hendrik Wüst, der Chef der Jungen Union, hatte keine Angst vor Mikrofonen. „Es kann nicht sein“, polterte er los, „dass wir mit unserem tollen Wahlergebnis im Mai die Kanzlerschaft von Merkel erst ermöglicht haben und dann nicht im Kabinett dabei sind.“ Wenig später hob er noch einen groben Keil auf die Münchner Personalentscheidungen: „Während wir loyal zu Merkel waren, sitzt jetzt Horst Seehofer am Kabinettstisch, der uns im vergangenen Jahr nichts als Ärger gemacht hat.“

Am Morgen danach musste Rüttgers sich freilich auch kritische Fragen nach seinem Verhandlungsgeschick gefallen lassen. Jetzt erkannte der Politprofi, dass die Situation am Ende auch für ihn ungemütlich werden könnte. In der üblichen Fraktionssitzung ergriff er deshalb rasch das Wort und gab den Takt vor. „Die Personalentscheidungen sind eine Belastung für die Zusammenarbeit“, rief er hinter verschlossener Tür aus, hatte aber nichts dagegen, dass seine Worte den Weg nach draußen fanden. Er beließ es allerdings nicht nur bei dieser Feststellung, er fügte etwas hinzu, was Merkel als Drohung empfinden muss: „Das gibt uns die Freiheit, uns an den Interessen Nordrhein- Westfalens zu orientieren.“

Was das für die weitere Zusammenarbeit bedeutet, machte ein anderer in der Runde klar. Karl-Josef Laumann, Chef des Arbeitnehmerflügels, nahm den Hinweis von Rüttgers auf, der darüber sinniert hatte, warum er im Mai 45, seine Parteichefin aber nur noch 33 Prozent an Rhein und Ruhr eingefahren hat. „Wir müssen uns energisch dagegen wehren, dass wir hier reduziert werden sollen.“ Dass dies ernst gemeint ist, wurde spätestens an dem Punkt klar, als sowohl Laumann wie Rüttgers verlangten, die Union müsse endlich das schlechte Wahlergebnis aufarbeiten. „Wir dürfen das nicht länger vertagen“, riefen sie so laut nach Berlin, dass es niemand dort überhören konnte.

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