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Vor einem Wahlplakat des sozialistischen Premiers Viktor Ponta verkauft ein Mann in Bukarest Knoblauch.

© REUTERS

Rumänien: Links und populistisch

Bei der Parlamentswahl in Rumänien wird ein Sieg der Sozialliberalen erwartet. Der Post-Sozialist Viktor Ponta dürfte die Nase vorn haben - er profitiert von der Wirtschaftskrise im Land.

Bukarest - Es ist Schichtende in der Coca-Cola-Fabrik. Müde Menschen warten schweigend auf die 35er-Straßenbahn. Die Haltestelle ist zerschlissen, die heranfahrende Bahn schwankt bedenklich. Im Industriequartier Rosu ist der Traum vom Aufschwung Rumäniens zu Ende. Doch gleich gegenüber der Abfüllstation des US-Erfolgsgetränks soll ein neuer Mythos entstehen. Dan Diaconescu hat sich in seinem unscheinbaren TV-Studio in einer Industriehalle ohne Aufschrift zum Rächer des ausgebeuteten Volkes stilisiert, ein moderner Robin Hood, der mit der korrupten Politikerklasse des Landes aufräumen will. Seine PPDD – Volkspartei Dan Diaconescu – dürfte laut Umfragen nach den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag das Zünglein an der Waage sein. Jeder siebte Rumäne will ihm die Stimme geben. Im PPDD-Hauptquartier herrscht gähnende Leere. „Wir sind die Hoffnung, wir sind Lösung!“, wirbt die PPDD dafür landesweit auf riesigen Plakaten.

Außerhalb von Dan Diaconescus Privatfernsehstation OTV ist auf den ersten Blick vieles wie überall im kriselnden Europa. Nach vier Jahren rechtsliberaler Regierung haben die Rumänien die Sparrunden satt. Ein Wahlsieg der „Sozialliberalen Union“ (USL) gilt als ausgemacht. Doch hinter dem schönen Namen verbirgt sich ein absolutistisches Politikverständnis, das einen Politiker wie den ungarischen Premierminister Viktor Orban weit in den Schatten zu stellen droht. Denn Regierungschef in Rumänien soll der junge post-sozialistische Viktor Ponta werden, ein Ziehsohn des Politikers Adrian Nastase – und der war dem neostalinistischen Diktator Nicolae Ceausescu treu verbunden.

Landesweite Desillusion gepaart mit Sozialprotesten haben Pontas Weg an die Macht im vergangenen Jahr gefördert. Erst zimmerte der von alten Ceausescu-Kadern geförderte Jungpolitiker zusammen mit Crin Antonescus Nationalliberalen das Wahlbündnis USL, im Mai schließlich übernahm er dank Überläufern der im Volk inzwischen verhassten Liberalen die Regierungsgeschäfte. Fortan zeigte Ponta auf Schritt und Tritt, dass ihm weder Grundgesetz noch Rechtsstaatlichkeit viel gelten. Den gemäß der rumänischen Verfassung starken Staatspräsidenten Traian Basescu, dessen Amtszeit erst 2014 endet, versuchte er kurzerhand abzusetzen. Bei den Parlamentswahlen will Ponta nun seine Macht legitimieren.

Noch streckt das liberale Wahlbündnis ARD seine Waffen jedoch nicht und versucht, zumindest eine klare Mehrheit Pontas zu verhindern. In der transsilvanischen Wirtschaftsmetropole Cluj wird deshalb wie überall in Rumänien mit harten Bandagen gekämpft. Die Stadt mit 300 000 Einwohnern wurde als Nokia- Standort bekannt und gilt als Hochburg des liberalen Ex-Premiers Emil Boc, der im Sommer dort ins Bürgermeisteramt zurückgekehrt ist. Die schrille populistische PPDD hat in Cluj wenig Chancen, wohl aber der linkspopulistisch agierende Ponta. Denn mit der Schließung des Nokia-Werks vor zwei Jahren hat auch im vergleichsweise reichen Cluj der Krisendiskurs Einzug gehalten.

„Unsere Politiker wechseln die Parteien wie ihre Unterwäsche“, sagt der Jungmanager Arpad in der zentralen Einkaufsmeile von Cluj. Wie viele Bürger Rumäniens will er der Parlamentswahl fernbleiben. „Selbst ein Deodorant interessiert mich mehr als die rumänische Art der Politik“, meint auch der Rentner Vasile. „Alle Politiker sind Diebe!“, sagt er und wendet sich brummend ab. Wechselnde politische Koalitionen, Korruptionsskandale bis in die höchsten Ebenen und die weitverbreitete Armut haben weite Kreise dazu gebracht, sich von der Politik abzuwenden.Paul Flückiger

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