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Ruprecht Polenz: "Autoritäre Regime provozieren Protest"

Ruprecht Polenz (CDU), Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Lage in Arabien.

Herr Polenz, sind Sie nach dem Abgang Mubaraks zuversichtlich, dass in Ägypten das Militär tatsächlich den Übergang zu einer Demokratie ermöglichen wird?

Das hat der Militärrat zugesagt. Entscheidend aber ist, dass nun eine zivile Übergangsregierung gebildet wird, die alle politischen Gruppierungen umfasst, also auch Vertreter der Opposition. Das fordern die Demonstranten, und diese Forderung unterstützen wir. Es müssen verschiedene politische Kräfte mitreden, wenn nun freie Wahlen vorbereitet werden und dafür die Verfassung geändert werden muss. Ich glaube nicht, dass das Militär allein den Übergang zur Demokratie gestalten kann.

Was sagen sie zur Warnung aus Israel, Ägypten ohne Mubarak sei eine Gefahr?

Diese Sicht Israels ist verständlich. Ägypten hat den Friedensvertrag eingehalten und sich im Nahost-Friedensprozess immer konstruktiv um Lösungen bemüht. Trotzdem sehe ich den Friedensvertrag auch ohne Mubarak nicht in Gefahr.

Hat Israel Möglichkeiten, jetzt arabische Reformbewegungen für sich zu gewinnen?

Es ist äußerst wichtig, dass Israel in diesem historischen Moment energische Schritte unternimmt, um das Verhältnis zu den Palästinensern zu verbessern. Der beste Weg dazu wäre die Verkündigung eines Siedlungsstopps und die ernsthafte Rückkehr zu Friedensgesprächen.

Der Funke der Freiheit begeistert viele Araber. Wandelt sich die ganze Region?

Man darf sich das nicht so vorstellen wie einen Domino-Effekt, bei dem mechanisch ein Land auf das andere folgt. Aber die Menschen sind sehr beeindruckt von den Entwicklungen in Tunesien und Ägypten. Die arabischen Regierungen sollten die Zeichen der Zeit erkennen und selbst Reformen einleiten. Wenn autoritäre Regime in der Region weitermachen wie bisher, werden sie damit auch Protestbewegungen provozieren.

Es gab mit Blick auf den Wandel in Ägypten viel Kritik an der deutschen Außenpolitik. Sind die Vorwürfe berechtigt?

Nein. Mit gutem Grund haben unterschiedliche Bundesregierungen über Jahrzehnte gegenüber Ägypten eine ähnliche Politik verfolgt. Zu den strategischen Interessen Deutschlands und der Europäischen Union in der Region gehört neben den Wirtschafts- und Energieinteressen auch die Sicherheit Israels. Es war auch in der Phase des Wandels richtig, darauf zu bestehen, dass allein die Ägypter über ihre künftige Regierung bestimmen. Es wäre falsch gewesen, die Demonstranten nicht von außen zum Weitermachen aufzufordern, solange die Gefahr bestand, dass das alte Regime Gewalt anwendet. Stellen Sie sich vor, der Westen hätte zum Sturz Mubaraks aufgerufen, die Volksbewegung aber wäre militärisch niedergeschlagen worden. Niemand hätte den Menschen in einer solchen Situation von außen helfen können. Es war richtig, sich zurückzuhalten und gleichzeitig klarzumachen, dass wir den demokratischen Wandel unterstützen. Hinter den Kulissen hat der Westen sich stärker eingemischt, als das viele wahrgenommen haben

Ist die EU künftig als Helfer beim Aufbau der Demokratie in Ägypten gefragt?

Selbst wenn es günstig läuft und in Ägypten wirklich freie Wahlen abgehalten werden, sind die Probleme nicht verschwunden. Ich denke an die Armut, die hohe Arbeitslosigkeit oder die Probleme im Bildungswesen. Es ist sehr wichtig, dass die EU sich jetzt schon darauf vorbereitet, wie sie einer demokratisch gewählten Regierung helfen kann. Wir haben ein großes Interesse daran, dass das ägyptische Modell gelingt. Nicht nur wegen unserer Sicherheitsinteressen, sondern auch, weil Ägypten zum Beispiel dafür werden kann, wie in einem arabischen Land ein friedlicher Wandel den Menschen mehr Freiheit und ein besseres Leben bringt. Sonst wird die Enttäuschung riesengroß sein.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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