zum Hauptinhalt

Russische Justiz: Chodorkowski wieder auf der Anklagebank

Seit 2005 sitzt Michail Chodorkowski in einem Gefängnis in Ostsibirien. Offiziell wegen Steuerhinterziehung, doch Experten vermuten politischen Hintergründe. Jetzt steht der ehemals reichste Mann Russlands erneut vor Gericht.

Am Dienstag beginnen vor einem Moskauer Gericht Verhandlungen in einem neuen Strafverfahren gegen den ehemaligen Chef des Ölgiganten Jukos, Michail Chodorkowski, und dessen Juniorpartner Platon Lebedjew. Beiden werden Steuerhinterziehung und „illegale finanzielle Machenschaften“ vorgeworfen. Dabei ist von umgerechnet 19 Milliarden Euro die Rede. Wegen Finanzbetrugs und Steuerhinterziehung war Chodorkowski bereits 2005 zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die er in Ostsibirien verbüßt. Sein Konzern wurde zerschlagen und bei einer umstrittenen Versteigerung an staatsnahe Konkurrenten verkauft. Die Mehrheit der Beobachter sprach bereits bei seiner Verhaftung im Herbst 2003 von politischen Hintergründen. Der damals mit Abstand reichste Mann Russlands hatte oppositionelle Parteien finanziell unterstützt.

Mit politischen Beweggründen erklären Bürgerrechtler im In- und Ausland auch das neue Verfahren. Die Ermittlungen seien just im Herbst 2007 eingeleitet worden, als Chodorkowski die Hälfte seiner Strafe verbüßt hatte. Das nämlich berechtigte ihn, um Umwandlung des letzten Drittels in Bewährungsstrafe nachzusuchen. Bei guter Führung entscheiden die Gerichte darüber meist positiv. Für Chodorkowski allerdings sahen Verteidiger und Bürgerrechtler dabei von Anfang an schwarz: Er werde wohl so lange hinter Gittern sitzen, wie Putin und seine Gefolgsleute in Russland das Sagen haben. In dieser These bestätigt sehen Regimekritiker und Anwälte sich auch dadurch, dass sowohl in der neuen Causa Chodorkowski als auch in den Verfahren gegen andere ehemalige Topmanager von Jukos geltendes Recht willkürlich interpretiert wird. So hieß es zunächst, Chodorkowski könne den Prozess per Videokonferenz verfolgen. Erst als die Verteidiger verbreiteten, sie hätten ihrem Mandaten einen Boykott des Verfahrens empfohlen, ordnete das Gericht seine Anwesenheit und die Überstellung nach Moskau an.

Die neuen Vorwürfe – unter anderem soll Chodorkowski dem Fiskus zwischen 1998 und 2003 die Einnahmen aus der Ölförderung unterschlagen haben – seien konstruiert und würden in einem fairen Verfahren wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, sagte der Anwalt Juri Schmidt. Ähnlich sieht das auch Chodorkowski, der die neue Anklage als „schändliche Farce“ bezeichnete, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun habe. Der 45- Jährige erklärte, er sei überzeugt, dass er schuldig gesprochen werde. Dann drohen ihm bis zu 22 Jahre Haft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false