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Russische Opposition: Die Kreml-Variante

Mit einer Kampfansage an den russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärte der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow vor zwei Jahren seinen Eintritt in die Politik. Wie sieht die russische Opposition heute aus?

Moskau - Er wolle eine Organisation auf nationaler Ebene begründen, um die "Diktatur Putins" herauszufordern, kündigte Kasparow 2005 an und hängte den aktiven Wettkampfsport an den Nagel. An der Macht des als Autokraten verschrienen russischen Staatschefs hat der 44-Jährige nicht rütteln können, doch hat er sich in kurzer Zeit als einer der bekanntesten Führer der schwachen russischen Opposition etabliert.

Und er sorgt für Aufsehen: Am 18. Mai hinderten die Behörden Kasparow und andere Oppositionsführer daran, zu einer geplanten Protestkundgebung in der Nähe des EU-Russland-Gipfels in Samara zu fliegen.

Bereits die von einem großen Medienaufgebot verfolgten kreml-kritischen Proteste Mitte April dürften das Profil Kasparows weiter geschärft haben. Ohne Genehmigung hatte sich der Putin-Kritiker auf dem Moskauer Puschkin-Platz mit mehreren hundert Gleichgesinnten zu einer Demonstration eingefunden und damit seine zeitweilige Festnahme in Kauf genommen. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die Bewegung "Anderes Russland". Unter dem Dach dieses Oppositionsbündnisses versammeln sich so unterschiedliche Politiker wie der Chef der Nationalbolschewistischen Partei, Eduard Limonow, und der frühere Ministerpräsident Michail Kasjanow.

Das Schachgenie und der Avant-Garde-Lyriker

Insbesondere für seine Zusammenarbeit mit Limonow musste Kasparow bereits viel Kritik einstecken. Der Schriftsteller Eduard Limonow ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten Russlands. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums saß er im Schattenkabinett des Ultranationalisten Wladimir Schirinowskij, 1994 gründete er dann seine eigene Partei, die Nationalbolschewistische Partei Russlands. Diese wurde 2005 vom Obersten Gerichtshof verboten, ist aber trotz Illegalität weiterhin als Untergrundorganisation aktiv. Der Verband der jüdischen Gemeinden Russlands behauptet, das Programm der Nationalbolschewiken sei neofaschistisch und beinhalte Anleihen an den Nationalsozialismus. Ob Limonow tatsächlich ein Rechtsextremist ist, lässt sich nicht so leicht beantworten. Es gibt keine offiziellen Äußerungen von ihm, die dies untermauerten.

Limonow wurde im April bei einer Demonstration in St. Petersburg in Polizeigewahrsam genommen, kam aber rasch wieder frei. Wie schon in Moskau ging die Polizei auch in St. Petersburg mit großer Härte gegen die Gegner des russischen Präsidenten Putin vor.

Kasparow und Limonow sind ein ungleiches Paar, vereint sind sie im Prinzip nur in ihrer schonungslosen Ablehnung Putins und seines "Polizeistaats", wie Kasparow das Russland unter Putin immer wieder nennt. Das im Westen bekannteste Mitglied der Oppositionsbewegung ist inzwischen eindeutig Kasparow. Viele Putin-Kritiker trauen ihm zu, die zersplitterte Opposition zu einen und vor der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft aufzubauen. Ihre Hoffnungen richten sich nicht zuletzt auch auf ihn, weil die beiden traditionsreichsten Oppositionsparteien liberaler Prägung - Jabloko und SPS - in den vergangenen Jahren deutlich an Einfluss verloren haben.

Politische Partie

Viele russische Nationalisten sehen in Kasparow dagegen allein schon wegen seiner Herkunft eine Hassfigur. Das 1963 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku geborene Schachgenie entstammt einer jüdisch-armenischen Familie. Rasch wurde sein Talent erkannt. Schon im Alter von sechs Jahren lernte er die Regeln des königlichen Spiels. Mit 13 Jahren gewann er die sowjetischen Juniorenmeisterschaften. 1985 besiegte er seinen Landsmann Anatoli Karpow und wurde mit gerade einmal 22 Jahren jüngster Schachweltmeister aller Zeiten.

Die Weltmeisterkrone verlor Kasparow im Jahr 2000 an seinen früheren Schüler Wladimir Kramnik. Dass ihm bei allem Ehrgeiz auch der Humor gegeben ist, bewies Kasparow vor zwei Jahren, als ihn ein enttäuschter Fan mit einem Schachbrett attackierte. "Ich bin froh, dass in der Sowjetunion Schach Volkssport war und nicht Baseball", sagte der Ex-Weltmeister anschließend.

Bereits 1987 veröffentlichte Kasparow das Buch "Politische Partie". Damals ging es in erster Linie noch um Schach. Heute muss Kasparow immer häufiger die Frage beantworten, wie weit er gehen will - wie viel politische Verantwortung er übernehmen will. Ob vor wenigen Wochen in der Talkshow "Beckmann" oder erst am vergangenen Wochenende beim amerikanischen Nachrichtensender CNN - immer wieder wird Kasparow gefragt, ob er bei den Wahlen Anfang 2008 selbst als Präsidentschaftskandidat antreten wird. Bisher drückt sich das Schachgenie um eine klare Antwort. Bis dahin könne noch viel passieren, sagt Garri Kasparow. (smz/dpa/AFP)

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