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Eine russische Panzerkolonne mit dem aufgemalten Z-Symbol.

© picture alliance/dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire

Russischer Soldat rechnet mit Krieg ab: „Hatten kein moralisches Recht, ein anderes Land anzugreifen“

Ein Soldat der russischen Armee veröffentlicht seine Eindrücke zu Beginn des Angriffskriegs. In seinem Buch stellt er sich öffentlich dagegen.

Der 33-Jährige Fallschirmjäger Pavel Filatiev war einer von Tausenden der russischen Truppen, die am 24. Februar die Ukraine überfallen haben. Zwei Monate später trat er wegen gesundheitlichen Gründen aus der Armee aus.

Jetzt stellt er sich öffentlich gegen den Krieg. In seinem Buch „ZOV“ (nach dem Symbol, welches das russische Militär auf seine Fahrzeuge malte), gibt er einen Einblick in den Zustand der Armee vor dem Krieg und schildert seine Erfahrungen in den ersten Tagen der Invasion.

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Ausschnitte aus seinem Buch wurden zuerst von der investigativen Journalismusplattform iStories veröffentlicht, anschließend veröffentlichte auch das russische Online-Medium „Meduza“ ins Englische übersetzte Passagen des Buches.

Er habe nicht gewusst, was vor sich ging

Zu Beginn der Invasion sei ihm noch unklar gewesen, was gerade passierte:

[Am 24. Februar] wachte ich um zwei Uhr am Morgen auf. […] Ich konnte nicht verstehen: Schießen wir auf vorrückende Ukrainer? Oder vielleicht auf NATO-[Truppen]? Oder greifen wir an? Auf wen zielt dieser höllische Beschuss?

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt russische Soldaten die neben einem Militärlastwagen stehen.
Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt russische Soldaten die neben einem Militärlastwagen stehen.

© Konstantin Mihalchevskiy/Sputnik/dpa

Auch ein Kommando habe nicht gewusst, was vor sich ging:

Die Kolonne setzte sich langsam in Bewegung. Ich hörte Schüsse und Explosionen aus der Richtung, in die wir gingen. Wohin wir gingen und warum, war nicht klar. [Aber] es war klar, dass ein echter Krieg begonnen hatte.

Filatiev zufolge war die Technik „hoffnungslos veraltet“, die Kampftaktiken, die die russische Armee anwandte, sei dieselbe, die ihrer Großväter angewandt hatten.

Sie hätten die Ukraine nicht als Feinde gesehen

Aus gesundheitlichen Gründen verließ er nach zwei Monaten die Armee, doch er sollte zurückkommen:

Das Kommando sagte, ich würde mich dem Dienst entziehen, und schickte Unterlagen an die Staatsanwaltschaft, um ein Strafverfahren einzuleiten. Mit diesem Bluff versuchen sie, eine Menge Leute zurückzuschicken.

Seiner Meinung nach sei der größte Teil der Armee unzufrieden mit den Geschehnissen, mit Putin und seiner Politik.

Wir hatten kein moralisches Recht, ein anderes Land anzugreifen, vor allem nicht das Volk, das uns am nächsten steht. Als das alles begann, kannte ich nur wenige Menschen, die an die Nazis glaubten und außerdem gegen die Ukraine kämpfen wollten. Wir hegten keinen Hass und betrachteten die Ukrainer nicht als Feinde.

Der größte Teil der Armee ist unzufrieden mit dem, was dort geschieht. Sie sind unzufrieden mit der Regierung und ihrem Befehlshaber, mit Putin und seiner Politik, und mit dem Verteidigungsminister, der nicht in der Armee dient.

Wir sind alle zu Geiseln vieler Kräfte geworden, und ich glaube, wir haben uns hinreißen lassen. Wir haben einen schrecklichen Krieg begonnen. Einen Krieg, in dem Städte zerstört werden und der den Tod von Kindern, Frauen und älteren Menschen zur Folge hat. (TSP)

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