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Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Ankunft in Moskau.

© dapd

Russland-Besuch: Wulff auf Schwarzeneggers Spuren

Bundespräsident Christian Wulff besucht Russland – gleich nach dem Gouverneur Kaliforniens. Wulff nimmt sich für seinen Besuch mehr als vier Tage Zeit. Aus gutem Grund.

Die russischen Medien stehen bei dem Besuch von Bundespräsident Christian Wulff vor einer schwierigen Aufgabe. Sie müssen der Nation erklären, dass in Deutschland das Staatsoberhaupt im Rang zwar über der Bundeskanzlerin steht, praktisch aber erheblich weniger als diese zu sagen hat. Wulff kommt bei der Vorabberichterstattung dennoch ausgesprochen gut weg. Anders als Angela Merkel, die ihre Konsultationen mit Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin in atemberaubendem Tempo absolviert und in Russland meist nicht mal eine Übernachtung bucht, nimmt Wulff sich für seinen Besuch mehr als vier Tage Zeit. Aus gutem Grund: Seit der letzten Visite eines Bundespräsidenten sind acht Jahre vergangen. Es schmeichelt zudem, dass auf seinem Programm nicht nur Highlights wie Moskau und St. Petersburg stehen, sondern auch Provinzstädte: Twer, die Partnerstadt von Osnabrück, wo Wulff geboren wurde, und Uljanowsk an der Wolga, 700 Kilometer östlich von Moskau.

In Wulffs ansehnlichem Tross sind deutsche Investoren prominent vertreten. Denn bei den letzten deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Sommer in Jekaterinburg bot Präsident Medwedew Merkel privilegierte Partnerschaft bei seinen ambitionierten Modernisierungsprojekten an, mit denen Russland den Quantensprung vom Rohstoffexporteur zum Hightechlieferanten stemmen will. Eine ähnlich herausgehobene Rolle gaben die Russen am Montag aber auch dem Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger. Er verließ Moskau nur Stunden bevor Wulff am Abend auf dem Regierungsflughafen Wnukowo 2 mit militärischen Ehren empfangen wurde.

Wirtschaft steht weit oben auf Wulffs Agenda – bei den Konsultationen an diesem Dienstag in Moskau – zuerst mit Medwedew im Kreml, wo auch die offizielle Begrüßung stattfindet, dann mit Putin im Weißen Haus, dem Sitz der russischen Regierung – später in der Provinz, die sich mit aufwendig gestalteten und eigens für den Wulff-Besuch konzipierten Präsentationen ins rechte Licht rücken will.

Um Wirtschaft – vor allem um Modernisierung – geht es auch bei Wulffs Vortrag am Mittwoch an der Moskauer Hochschule für Ökonomie, einem Hort kritischer Geister mit Sympathien für Ex-Jukos-Chef Michail Chodorkowski. Dessen Fall – gegen ihn läuft bereits der zweite Prozess wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen – dürfte Wulff zwar nicht öffentlich zur Sprache bringen, sonst aber durchaus kritische Töne anschlagen.

Modernisierungspartnerschaft, kommentieren russische Medien, habe für Westeuropa nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Dimension. Wulff trifft sich daher auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft, die Medwedew mangelnde Konsequenz bei der Einlösung seiner Wahlversprechen vorwerfen. Statt Meinungsfreiheit, freiem Unternehmertum und Rechtsstaatlichkeit, so die Kritik, seien Geheimdienstwillkür, Gängelung und Rechtsunsicherheit nach wie vor Markenzeichen auch des postkommunistischen Russlands.

Mehr als Cluster hat Russland auch bei der wirtschaftlichen Modernisierung nicht zu bieten. Hochgeschwindigkeitszüge wie der von Siemens gebaute „Sapsan“, den auch Wulff und dessen Entourage für die Fahrt nach Twer und von dort aus weiter nach St. Petersburg am Mittwoch besteigen werden, sind angesichts des veralteten Schienennetzes nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

In St. Petersburg steht neben einem Treffen mit Oberbürgermeisterin Valentina Matwijenko und einer Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer der Blockade im Zweiten Weltkrieg – Hitlers Truppen hatten die Stadt 900 Tage eingeschlossen – auch ein Besuch der Petri-Kirche, des größten evangelischen Gotteshauses in Russland, auf dem Programm. Und in Moskau eine Begegnung mit Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.

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