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Von Sieg kann in Syrien noch keine Rede sein. Aber bei einer Demonstration vor dem Gebäude der Arabischen Liga in Kairo macht ein Junge das Victory-Zeichen. Die Liga hat ihren geplanten Wirtschaftsboykott Syriens noch immer nicht verhängt. Foto: Amr A. Dalsh/Reuters

© REUTERS

Syrien verliert Verbündete: Russland ist jetzt auch für eine UN-Resolution

Moskau bringt in den UN überraschend einen Resolutionsentwurf ein, in dem die "unverhältnismäßige Gewalt durch die syrische Regierung" angeprangert wird.

US-Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich positiv überrascht. Das „unerträgliche Schweigen“ des Sicherheitsrats zu Syrien könne nun gebrochen werden, frohlockte der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. Und sein französischer Kollege Gérard Araud nannte die russische Initiative ein „außergewöhnliches Ereignis“. Erstmals seit Beginn der Unruhen im März gibt Syriens treuer Verbündeter Russland seine diplomatische Blockade auf. In der Nacht zu Freitag legte der Kreml den Entwurf einer UN-Resolution vor, die die „unverhältnismäßige Gewalt durch die syrische Regierung“ anprangert und das Regime von Präsident Baschar al Assad auffordert, „die Unterdrückung derer zu beenden, die ihr Recht auf Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrnehmen“. Alle Seiten müssten die Gewalttaten sofort beenden, heißt es weiter in dem Text, in dem von Sanktionen allerdings nach wie vor keine Rede ist.

Beflügelt durch die plötzliche diplomatische Dynamik im UN-Sicherheitsrat gingen diesmal nach dem Freitagsgebet wieder Hunderttausende gegen das Assad-Regime auf die Straße – auch in der Hauptstadt Damaskus. „Sicherheitsrat – wo ist deine Sicherheit. Hört endlich auf, die Mörder zu decken“, stand auf Plakaten zu lesen. Allein in Homs protestierten nach Angaben der in London ansässigen „Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ mehr als 200 000. In den Städten Hama, Daraa und Deir ez-Zor eröffneten Sicherheitskräfte das Feuer, wieder starben zahlreiche Demonstranten. „Die Arabische Liga tötet uns – Schluss mit weiteren Fristen“, hatte die Opposition als Motto ausgegeben. Der Staatenbund mit Sitz in Kairo hatte Ende November dem Regime in Damaskus Wirtschaftssanktionen und einen Flugboykott angedroht, die Entscheidung diese Woche jedoch erneut vertagt. Für den heutigen Samstag riefen die Aufständischen in ganz Syrien zu einem Generalstreik auf.

Acht Monate lang deckte die Führung im Kreml bisher ihren syrischen Verbündeten Baschar al Assad. Alle Versuche westlicher Staaten, die Gewaltexzesse des Baath-Regimes gegen seine revoltierende Bevölkerung im UN-Sicherheitsrat zu verurteilen, scheiterten an dem Veto Moskaus und Pekings. Angesichts der immer größeren Gefahr eines Bürgerkrieges jedoch scheinen beide Großmächte nun bereit, ihre Haltung zu revidieren, auch wenn der russische Resolutionsentwurf in den Augen westlicher Diplomaten noch zu unausgewogen ist. Europa und die Vereinigten Staaten stört vor allem, dass Moskau die Schuld für die Eskalation des Konflikts zu gleichen Teilen der Opposition und dem Regime zuschreibt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte zuletzt am Mittwoch die Nationen der Welt eindringlich zum Eingreifen aufgerufen. „In Syrien, das kann nicht so weiter gehen“, sagte er in New York.

Nach jüngsten Angaben von UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay haben seit März inzwischen mehr als 5000 Menschen ihr Leben verloren, darunter 300 Kinder. Über 14 000 sitzen in Gefängnissen, täglich berichten Menschenrechtsorganisationen von neuen Folterungen, Vergewaltigungen, Razzien und gezielten Morden durch Scharfschützen. Die Regierung in Damaskus beziffert im Gegenzug die Zahl der getöteten Soldaten und Polizisten auf über 1100. Denn seit dem Sommer häufen sich die Gefechte zwischen Truppen, die loyal zum Regime stehen, und Deserteuren, die sich der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) angeschlossen haben. Diese abtrünnigen Einheiten operieren inzwischen in mehreren aufständischen Städten, darunter sogar in Vororten von Damaskus. Kämpfe wurden zudem aus Daraa an der jordanischen Grenze, aus Rastan an der türkischen Grenze sowie aus Homs gemeldet, der Hochburg der Regimegegner im Zentrum des Landes.

Die loyalen Truppen des Regimes haben nach einer kürzlich veröffentlichten Dokumentation von Human Rights Watch (HRW) ausdrücklichen Befehl, scharf auf die Zivilbevölkerung zu schießen. Das Dossier stützt sich auf Dutzende Interviews mit Überläufern. Diese beschuldigen insgesamt 74 Kommandeure und hochrangige Beamte, die Misshandlung, Internierung oder Tötung von Demonstranten angeordnet zu haben.

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