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Nadeschda Sawtschenko: Hungerstreiks und Provokationen waren ihre Mittel, um sich gegen die Verurteilung in Russland zu wehren.

© dpa

Russland/Ukraine: Kampfpilotin Sawtschenko zu 22 Jahren Lagerhaft verurteilt

Nadja Sawtschenko ist für die Ukraine eine Symbolfigur des Freiheitskampfes, für Russland eine kaltblütige Killerin. Nun verurteilte sie ein Gericht zu 22 Jahren Haft.

Ein russisches Gericht hat die ukrainische Kampfpilotin Nadja Sawtschenko Agenturmeldungen zufolge am Dienstag zu 22 Jahren Haft verurteilt. Richter Leonid Stepanenko sah es als erwiesen an, dass die Pilotin der Beihilfe zum Mord an zwei Journalisten in der Ostukraine schuldig ist. Bereits am Montag hatte Stepanenko erklärt, die Frau habe "aus Hass absichtlich den Tod zweier Menschen verursacht". Die Staatsanwaltschaft hat 23 Jahre Haft für Sawtschenko beantragt.

Seit ihrer Festnahme durch prorussische Rebellen im Juni 2014 hat sich von der ukrainischen Kampfpilotin Nadja Sawtschenko vor allem ein Bild verfestigt: Die blauäugige Frau mit ihren kurzen Haaren ist eine unbeugsame Kämpferin, bietet den russischen Justizbehörden mit außergewöhnlicher Entschlossenheit die Stirn, erlegt sich Hungerstreiks auf und wählt starke Worte. Russland ist in ihren Augen ein "Dritte-Welt-Land", ein "totalitäres Regime" mit einem "Despoten an der Spitze".

Wegen ihrer scharfen Kritik am russischen Staatschef Wladimir Putin sowie durch das Anstimmen der ukrainischen Nationalhymne im Gerichtssaal und ihre Hungerstreikaktionen ist Sawtschenko für die antirussischen Kreise in der Ukraine eine Heldenfigur. Für ihre russischen Gegner hingegen ist das "provokative" Auftreten der Ukrainerin ein Ablenkungsmanöver bei den Bemühungen um die Klärung der Frage, ob sie im Juni 2014 die Ortung zweier russischer Journalisten in der Ostukraine ermöglichte, die dann durch Granatbeschuss der ukrainischen Armee getötet wurden.

Über die damaligen Ereignisse werden auch nach dem Abschluss des Prozesses unterschiedliche Versionen kursieren. Fest steht, dass Sawtschenko in der Nähe war, als die Journalisten getroffen wurden. Sawtschenko selbst gibt an, sie habe nach einem Angriff auf Truppentransporter nachschauen wollen, ob jemand verletzt sei. Dann sei sie von prorussischen Aufständischen "entführt" worden. Die Staatsanwaltschaft gibt an, Sawtschenko sei auf russischen Gebiet festgenommen worden.

Um Fakten geht es schon lange nicht mehr

Unabhängig von der Faktenlage ist die 34-jährige Sawtschenko in der Ukraine durch den Prozess zu einer Symbolfigur des Widerstandes gegen Moskau geworden. Während ihrer Inhaftierung in Russland wurde sie über die Liste der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko in Abwesenheit ins Parlament von Kiew gewählt. Präsident Petro Poroschenko zeichnete sie im März 2015 mit dem höchsten Verdienstorden der Ukraine aus.

Schon früh nahm Sawtschenkos Werdegang ungewöhnliche Wendungen. Sie wurde Fallschirmjägerin und war die einzige Frau unter 1690 ukrainischen Soldaten, die an der Seite der USA in den Irakkrieg zogen. "Ich glaube, dass man erst nach einem Kampfeinsatz, bei dem man Schießpulver gerochen hat, Offizier werden sollte", sagte Sawtschenko damals.

Als nächstes bewarb sie sich an der Universität der Luftwaffe in Charkiw - und wurde als eine von wenigen Frauen aufgenommen. Nach dem Examen im Jahr 2009 wurde sie als Kampfhubschrauberpilotin eingesetzt. Doch wollte sie eigentlich ans Steuer von Kampfjets. Wohl aus Frustration über das langsame Fortkommen nahm sie im Frühjahr 2014 eine "Auszeit" und verpflichtete sich beim rechtsextremen Freiwilligenbataillon Aidar. Diese Formation wird von Moskau als "faschistisch" gebrandmarkt und wurde auch vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) der Folter von Gefangenen bezichtigt.

Zur Zeit ihrer Festnahme war Sawtschenko für das Aidar-Bataillon im Einsatz. In dem Prozess in Donezk sagte die Angeklagte, sie würde "niemals auf eine unbewaffnete Person schießen". Präsident Poroschenko bot schon vor dem Urteilsspruch an, die wie eine Volksheldin gefeierte Sawtschenko im Fall einer Verurteilung gegen zwei russische Soldaten auszutauschen, die in der Ostukraine gefangengenommen worden sein sollen. Reuters/AFP

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