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Politik: Russland will Zeitungen und Sender, die aus Tschetschenien berichten, an die kurze Leine nehmen

Immer wieder haben Russlands Journalisten die Machthaber im Kreml darauf hingewiesen: Nicht Presse und Fernsehen sind böse, sie sind lediglich der Spiegel, den die Medien der bösen Welt vorhalten. Vergeblich.

Immer wieder haben Russlands Journalisten die Machthaber im Kreml darauf hingewiesen: Nicht Presse und Fernsehen sind böse, sie sind lediglich der Spiegel, den die Medien der bösen Welt vorhalten. Vergeblich. Nach schweren Verlusten und militärischen Schlappen der Russen in Tschetschenien sollen die hiesigen Medien offenbar wieder an die ganz kurze Leine genommen werden. So jedenfalls beschloss es am Dienstag die "Kommission zur Verhinderung von Extremismus" beim russischen Präsidenten, die von Justizminister Jurij Tschaika geleitet wird.

Auf seiner Fahndungsliste, so Michail Seslawinski, der stellvertretende Chef des russischen Informationsministeriums - die Existenz der Zensurbebehörde per se sorgt bei Demokraten für gelindes Gruseln - stünden bereits 50 Zeitungen und Zeitschriften, die ständig beobachtet werden, weil sie sich der "Schützenhilfe für Terrorismus" verdächtig gemacht haben. Zwölf davon droht die Schließung. Zwar ist das russische Pressegesetz formal eines der liberalsten weltweit und kann mit Fug und Recht als einzig reale demokratische Errungenschaft der Jelzin-Ära gelten. Außer dem Pressegesetz, begründete Seslawinski seine Demarche, gäbe es jedoch das Terrorismus-Gesetz, das härteren Zugriff erlaube. Die Kommission selbst ging noch einen Schritt weiter und einigte sich auf einen Maßnahmenkatalog, um "Schützenhilfe der Presse für den Terrorismus" zu unterbinden.

Demzufolge muss künftig mit strafrechtlichen Konsequenzen nicht nur rechnen, wer es wagt, ein Interview mit dem legitimen tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow zu veröffentlichen. Allein dessen Namensnennung genügt. Gleiches gilt auch für die namentliche Erwähnung von Ex-Außenminister Mowladi Udugow und Feldkommandeur Schamil Bassajew. Im Grunde genommen, höhnt die Wirtschaftszeitung "Kommersant", dürften in Zukunft überhaupt keine Berichte aus Tschetschenien mehr gesendet oder gedruckt werden. In der Tat macht sich bereits strafbar, wer "Drohungen, gleich welcher Art und gleich mit welchen Mitteln" in Umlauf bringt. Im Klartext: Wenn Bassajew oder sein am Sonntag vom russischen Geheimdienst FSB hoch genommener Kollege Salman Radujew vor laufender Kamera von neuen Sprengstoffanschlägen schwafeln, werden nicht sie, sondern Reporter und Kameramann zur Rechenschaft gezogen.

Unterstützung und Schützenhilfe für die Terroristen, gibt das Blatt weiter zu bedenken, seien sehr dehnbare Begriffe: "Faktisch bietet das Gesetz sogar Handhaben, um Berichte über zerstörte Häuser, Flüchtlinge und die Beisetzung von gefallenen russischen Soldaten zu verhindern."

Doch selbst wenn die Mehrheit der russischen Medien in Sachen Tschetschenien weiteren Zwängen unterworfen wird, hat der famose Plan ein Leck. Gegen den US-Auslandssender Radio Liberty, dessen Einschaltquoten seit dem Skandal um Tschetschenienreporter Andrej Babizkij in astronomische Höhen schnellten, die Web-Site der Tschetschenen oder die Internet- Ausgaben der Westpresse können Seslawinski und Konsorten nur voll ohnmächtiger Wut die Fäuste ballen.

Noch jedenfalls. Nachbesserungen werden bereits erwogen. Schon im Januar forderte ein Mitarbeiter des russischen Außenministeriums in der "Nesawissimaja gaseta" die Schließung des Radio-Liberty-Studios in Moskau. Von diesem verlangt das Informationsministerium jetzt die Herausgabe aller Sendebänder vom 15. Februar bis zum März zwecks Monitoring. Und auch dem Internet droht die Zensur: Eben diese Behörde, die praktischerweise auch für Telekommunikation zuständig ist, will gleich nach den Wahlen endlich Ernst machen mit einem Projekt, das schon 1998 unter Federführung der Geheimdienste erarbeitet wurde und damals landesweit für einen Aufschrei sorgte - SORM (System für operative Fahndungsmaßnahmen im Internet). Kommt die Idee durch, müssen alle russische Provider dafür sorgen, dass sich die Schlapphüte künftig in Echtzeit in jeden Datentransfer einklinken können.

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