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Russland: "Zar Boris" ist tot

Nach jahrzehntelanger autoritärer Herrschaft hat Boris Jelzin Russland zu Marktwirtschaft und Demokratie geführt - inklusive Raubtierkapitalismus und Tschetschenien-Kriege.

Berlin/Moskau - "Zar Boris", wie ihn Freund und Feind ob seiner kräftigen Statur und energischen Art respektvoll nannten, ist tot. Der erste Präsident Russlands, Boris Jelzin, starb am Montag in Moskau. Er erlag einem Herzversagen, wie es aus Medizinerkreisen hieß.

Jelzin stand zwei Amtsperioden lang (1991-1999) an der Spitze des Staates. Im Juni 1991 wurde er im ersten Wahlgang mit über 50 Prozent der Stimmen gewählt. Bei seiner Wiederwahl im Juli 1996 brachte er es im zweiten Anlauf auf fast 54 Prozent der Stimmen. Hier rettete ihn im weiten Sinne die Unterstützung der Oligarchen, denn die Wirtschaft war dramatisch eingebrochen, und im Volk machte sich Unzufriedenheit breit, die von den Kommunisten gegen ihn genutzt wurde.

Duzfreundschaft mit Helmut Kohl

Mit Jelzin verliert Russland jenen Mann, der das Riesenreich nach jahrzehntelanger kommunistischer Herrschaft auf dem schweren Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft führte. Dabei erwies er sich durchaus auch als widersprüchliche Person. Auf der einen Seite scharte er die Reformkräfte um sich, als im August 1991 ein Staatsstreich drohte, und löste das Sowjetparlament und die Kommunistische Partei auf. Andererseits ließ er im Dezember 1994 seine Truppen in Tschetschenien einmarschieren.

Eines der außenpolitischen Hauptziele Jelzins war der Ausbau der russisch-amerikanischen Beziehungen. So nahm er an nicht weniger als 15 Gipfeltreffen teil - vier davon mit US-Präsident George Bush Senior und elf mit Bill Clinton. Auch die Beziehungen zu Deutschland lagen ihm sehr am Herzen. Die Duzfreundschaft mit Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) spielte dabei eine Schlüsselrolle.

1988 Eintritt ins Politbüro

Als Bauernjunge am 1. Februar 1931 in einem kleinen Ural-Dorf im Gebiet Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) geboren, hat Jelzin vor seinem Einzug in den Kreml eine jener Karrieren gemacht, die in der damaligen UdSSR üblich waren. Nach dem Studium am Polytechnischen Institut in Swerdlowsk 1955 arbeitete er zuerst als Bauingenieur und stieg dann nach und nach die Leiter in der Parteihierarchie hoch. Drei Jahrzehnte brachte er in seiner Heimat zu, dann berief man ihn nach Moskau. Hier war er Moskauer Parteichef (1985/87), Mitglied des ZK der KP (1981/90) und von 1986 bis 1988 sogar Kandidat des Politbüros. 1990 trat er aus der Partei aus.

Putin erließ Jelzin-Absolution

Der schwächste Punkt Jelzins war seine labile Gesundheit. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte dabei sicher auch sein Alkoholkonsum, der der Öffentlichkeit nicht verborgen blieb. Die Berliner konnten sich davon bei einem Empfang vor dem Roten Rathaus mit eigenen Augen überzeugen. Schon Ende 1996 musste sich Jelzin im Berliner Herzzentrum einer schweren Operation unterziehen - und erst jüngst war er dort noch zur Gesundheitskontrolle. 1999 verschlechterte sich Jelzins Zustand so sehr, dass er am 31. Dezember freiwillig das Präsidentenamt aufgab und Ministerpräsident Wladimir Putin zu seinem Nachfolger bestimmte. Eine der ersten Amtshandlungen Putins war, Jelzin quasi Absolution vor einer möglichen Strafverfolgung wegen des Korruptionsvorwurfs zu erteilen.

Selbst Jelzins Gegner wie Ex-UdSSR-Präsident Michail Gorbatschow haben dem Toten jetzt ihre Ehre erwiesen. Jelzin habe "Großes" für das Land geleistet, allerdings auch "ernsthafte Fehler" begangen, schrieb Gortbatschow an die Familie. Insofern habe er ein "tragisches Schicksal" erlitten. (tso/ddp)

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