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Moskauer Skyline. Links im Bild: das Außenministerium.

© Maxim Shemetov/Reuters

Russlands Wirtschaft wächst: Warum wirken die Sanktionen nicht mehr?

Trotz westlicher Strafmaßnahmen entwickelt sich die russische Wirtschaft überraschend stark. Die Bundesregierung setzt auf eine weitere Verschärfung der Sanktionen.

Russlands Wirtschaft wird durch die westlichen Sanktionen weniger hart getroffen, als sich das viele Politiker in der EU und den USA anfangs erhofft hatten. Im kommenden Jahr könnte Russlands Bruttoinlandsprodukt laut Prognosen wieder auf dem Niveau aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg liegen. Die Bundesregierung will gegensteuern.

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine hat die EU in Abstimmung mit den USA, Großbritannien, Kanada und weiteren Partnern elf Sanktionspakete beschlossen. Als schwerer wirtschaftlicher Schlag für Kremlchef Wladimir Putin erwies sich vor allem die Entscheidung der G7-Staaten und der EU, Auslandsvermögen der russischen Zentralbank im Wert von umgerechnet 300 Milliarden Euro einzufrieren. Damit fehlen für den russischen Staatshaushalt entscheidende Ressourcen.

Auch für Sektoren wie den russischen Automobilsektor hatten die Sanktionen des Westens durchaus Wirkung. 2022 kam die Pkw-Produktion mehr oder weniger zum Erliegen, weil Komponenten nicht mehr geliefert werden durften oder Hersteller wie VW sich aus Russland zurückzogen. Vor knapp einem Jahr prophezeite die Berliner Ratingagentur Scope, dass Russland wohl erst am Ende des Jahrzehnts auf das Wirtschaftsniveau vor dem Einmarsch in die Ukraine zurückkehren werde.

Doch es scheint anders zu kommen. Ende Juli ließ eine Nachricht aufhorchen: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hob seine Wachstumsprognose für Russland für das laufende Jahr von 0,7 auf 1,5 Prozent an. Das überraschend starke Wachstum in Russland hängt vor allem mit zwei Faktoren zusammen: Für seine Öl- und Gasexporte hat Russland neue Abnehmer gefunden, unter anderem in Indien. Zudem hat Putin sein Land auf eine Kriegswirtschaft umgestellt – in zunehmendem Maße fließen staatliche Ausgaben in den Rüstungssektor, der auf Hochtouren läuft.

In enger Abstimmung mit unseren Partnern entwickeln wir die Sanktionen gezielt weiter.

Franziska Brantner (Grüne), Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium

In Berlin wird diese Entwicklung genau verfolgt. Franziska Brantner, die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, sagte dem Tagesspiegel, dass die Bundesregierung in Abstimmung mit den Partnern die Sanktionen gezielt weiterentwickele, um deren Wirkung weiter zu verbessern. „Dazu gehört ein noch konsequenteres Vorgehen gegen die Sanktionsumgehung und die Einbeziehung weiterer Bereiche, beispielsweise bei Diamanten oder im Nuklearsektor“, sagte die Grünen-Politikerin weiter. 

Beim G7-Gipfel in Hiroshima hatten die westlichen Industrienationen vereinbart, dass der Import von Rohdiamanten aus Russland beschränkt werden soll. Allerdings war der Beschluss bei dem Treffen im Mai vage formuliert. Der Grund liegt vor allem darin, dass sich die EU mit einem geschlossenen Auftreten bei einem möglichen Komplettverbot für Diamanteneinfuhren schwertut. Antwerpen gilt weltweit als Drehscheibe für den Handel mit Rohdiamanten, entsprechend groß ist der Widerstand der belgischen Regierung.

Ähnlich verhält es sich bislang mit möglichen Sanktionen gegen den russischen Staatskonzern Rosatom als Lieferanten von angereichertem Uran. Die Bundesregierung fordert hier schon länger Beschränkungen, aber EU-Länder wie Frankreich und Ungarn sind dagegen.

Michael Link, der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, forderte, dass die Sanktionen auch langfristig Wirkung zeigen müssten. „Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern innerhalb und außerhalb der EU die Umgehung von Sanktionen, insbesondere über Drittstaaten, verhindern“, sagte Link.

Im Juni hatten sich die EU-Staaten in ihrem bislang letzten Sanktionspaket darauf verständigt, strikter gegen Sanktionsbrecher vorzugehen. 87 Unternehmen aus Ländern wie Armenien und Hongkong wurden in die Sanktionsliste jener Firmen aufgenommen, die den militärisch-industriellen Komplex in Russland unterstützen. Sie müssen nun mit strengeren Exportauflagen für sogenannte Dual-Use-Güter rechnen, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich eingesetzt werden können.

Die Liste der Firmen auf der EU-Sanktionsliste kann erweitert werden, ohne dass dafür ein neues Sanktionspaket nötig ist. Dafür sind Beweise für einen Sanktionsbruch und ein einstimmiger Beschluss durch sämtliche 27 EU-Staaten nötig.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter beklagt, dass auch deutschen Firmen an der Umgehung der Sanktionen beteiligt sind.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter beklagt, dass auch deutschen Firmen an der Umgehung der Sanktionen beteiligt sind.

© imago/Future Image/IMAGO/Thomas Bartilla

Nach Auffassung des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter liegt das größte Problem darin, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland weiterhin über Drittstaaten wie Armenien, Georgien oder Kasachstan und Hongkong umgangen werden. Kiesewetter schlug vor, die Sanktionen gegen Russlands engsten Verbündeten Belarus weiter auszuweiten, um die Ausfuhr von kriegswichtigen Gütern zu unterbinden.

„Von Anfang an war klar, dass die Sanktionen kein Sprint, sondern ein Marathon sind“, fügte Kiesewetter hinzu. Allerdings wirkten Sanktionen nur, wenn sie glaubwürdig umgesetzt werden. Dies sei bislang etwa nicht der Fall, sagte Kiesewetter und verwies auf das Umladen von Öl auf hoher See, den sogenannten Ship-to-ship-Transfer, sowie die Sanktionsumgehung durch Drittstaaten. „Hier agiert die Bundesregierung bisher zu zurückhaltend, da offensichtlich auch deutsche Firmen bei Sanktionsumgehungen beteiligt sind“, kritisierte der CDU-Politiker.

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