zum Hauptinhalt
Regierungschef Mark Rutte und der Rechtspopulist Geert Wilders lieferten sich erst zwei Tage vor der Wahl ein Rededuell im TV.

© REUTERS

Niederlande vor der Wahl: Rutte gegen Wilders: Der Türkei-Streit beherrscht die TV-Debatte

Erst kurz vor der Wahl trafen die beiden Spitzenkandidaten direkt aufeinander. Die Konfrontation mit Erdogan nützt eher dem Regierungschef Rutte.

An öffentlichen Debatten nimmt Geert Wilders nur selten teil. Das hat zum einen mit seiner Grundeinstellung gegenüber den Medien zu tun, die ihm zu links sind. Zum anderen scheut der Spitzenkandidat der niederländischen Rechtspopulisten (PVV) die Öffentlichkeit, weil er ständig von Bodyguards begleitet wird, seit sich kurz nach dem Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh im November 2004, herausgestellt hatte, dass auch Wilders eine Zielscheibe ist. Seit mehr als 16 Jahren lebt er in einem sogenannten Safehouse, auf der Straße wird er immer von vielen Personenschützern bewacht. Manchmal trägt er sogar eine kugelsichere Weste. Nach Informationen der Tageszeitung „De Telegraaf“ auch am Montagabend, als sich der Spitzenkandidat der PVV dann doch auf eine Fernsehdebatte mit dem Spitzenkandidaten der rechtsliberalen VVD einließ, dem amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte.

Lange sah es so aus, als ob der Wahlkampf auf ein Rennen zwischen den beiden hinausläuft. Doch die jüngsten Umfragen zeigen, dass die Wahllandschaft so zersplittert ist, dass die größten fünf Parteien zwischen elf und 17 Prozent eng beieinanderliegen.

Trotzdem oder gerade deswegen wurde die erste öffentliche TV-Debatte zwischen den beiden Spitzenpolitikern mit Spannung erwartet. Dazu trugen vor allem die Ereignisse vom vergangenen Wochenende bei. Nachdem der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya ein Auftritt im Rotterdamer Konsulat verweigert worden war, hatte sich die diplomatische Krise zwischen den Niederlanden und der Türkei vertieft.

Islamisierung, Integration, Identität

Wilders musste Rutte zugestehen, sich in dieser Angelegenheit adäquat verhalten zu haben. Leicht kann Wilders das nicht gefallen sein, denn bei dem Streit mit der Türkei kommen all die Themen zur Sprache, mit denen die Rechtspopulisten Politik machen: Islamisierung, Integration, nationale Identität.

Es war wie erwartet auch das Thema „Immigration und Identität“, an dem die ansonsten ruhige Fernsehdebatte ein wenig Fahrt aufnahm. Rutte und Wilders kennen sich sehr gut, wissen, wo die Stärken und Schwächen des anderen liegen und wie darauf zu reagieren ist. Schließlich war Rutte zuerst im Vorstand, später aber auch Staatssekretär der VVD, als Wilders noch Abgeordneter für die gleiche Partei war. Im September 2004 verließ Wilders nach sechs Jahren im Parlament im Streit die Rechtsliberalen und gründete die rechtspopulistische PVV. Streitpunkt damals: die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei.

Wilders hielt es für falsch, die Verhandlungen zu starten, die VVD war aber dafür. Genau das warf Wilders Ministerpräsident Rutte dann auch in der aktuellen Fernsehdebatte vor: „Ich habe euch davor gewarnt. Ich habe schon immer gesagt, der Erdogan taugt nichts. Aber ihr habt mir nicht zugehört. Stattdessen habt ihr mich aus der Partei geschmissen.“ Rutte reagierte auf die Vorwürfe recht gelassen.

Im Gegensatz zu dem stets auf Sicherheit bedachten Wilders bewegt Mark Rutte sich locker in der Öffentlichkeit. Fast täglich läuft oder radelt der Ministerpräsident zu seiner Arbeit, dabei von nur einem Polizisten begleitet. Und trotz seines Amtes lässt es sich der Historiker nicht nehmen, weiterhin einmal wöchentlich an einer Schule in einem Problemviertel in Den Haag zu unterrichten.

Die bürgerlichen Parteien rücken nach rechts

Doch sein joviales und unaufgeregtes Auftreten gefällt nicht jedem. Es hat ihm im Laufe der Jahre das despektierliche Prädikat „Weglach-Premier“ eingebracht. Auch kleben an ihm die nicht eingehaltenen Versprechen aus dem Wahlkampf 2012. Damals hatte er zugesagt, Griechenland kein weiteres Geld zu geben. Zudem versprach er den Niederländern Steuererleichterungen. Seine Glaubwürdigkeit war somit eine der größten Herausforderungen des Kampagnenteams der VVD.

Wilders’ Macht wiederum beruht vor allem darauf, dass er die Stimmung im Lande beeinflussen kann. Doch um die Gunst der Wähler zu erhalten, sind die konservativeren Parteien der Niederlande wie die VVD zunehmend nach rechts gerückt.

Insofern kam die diplomatische Verstimmung mit der Türkei zu einem für Rutte günstigen Zeitpunkt. Als die Regierung Sonnabendmorgen dem Flugzeug des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu das Landerecht verweigerte, bekam Rutte dafür von fast allen Parteien Lob. Sein Vorgehen gegenüber der türkischen Familienministerin und die Reaktion auf die Krawalle in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag haben offenbar Ruttes Image eines hart durchgreifenden Staatsmanns weiter gefestigt. Laut aktuellen Umfragen hat auch seine Partei davon profitiert. Der Abstand zur PVV vergrößerte sich um einige Punkte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false