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Politik: Sachsen-Anhalt: Land ohne Lächeln

Sie wissen es. Und die Leute sehen, dass die SPD und Reinhard Höppner es wissen.

Sie wissen es. Und die Leute sehen, dass die SPD und Reinhard Höppner es wissen. Sie riechen die Verzweiflung. Höppner, der lange Jahre als Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt ein kluger Anwalt des Elends war, ist heute ein Ausdruck des Elends. Er läuft in diesen Tagen, diesen entscheidenden Tagen für das Land und darüber hinaus, so rum, wie die Leute sich nicht mehr fühlen wollen. Das ist bis Sonntag nicht mehr zurückzuholen.

Sie wissen es, auch die Sozialdemokraten im Bund, voran ihr Parteichef Gerhard Schröder. Mit grimmigem Lächeln kämpft der gegen die Verzweiflung an. Denn die Sozialdemokraten gehen auf die Talsohle zu, und keiner hält sie auf. Eine Regierungspartei auf dem Rückzug. Mit CDU-Gewinnen in Höhe von zehn Prozent wird gerechnet, mit SPD-Verlusten im gleichen Ausmaß. Und einer PDS auf dem Vormarsch. Dabei findet doch in Sachsen-Anhalt auch noch der Wettbewerb der Stellvertreter statt. Schröder sieht es ja selbst: Der eine, der Kandidat der Union, hat über Wochen an Statur gewonnen, den anderen hat das Amt gramgebeugt. Der eine widerspricht: den Pessimisten, aber auch denen, die beim Besserwissen übertreiben. Und selbst Edmund Stoiber. Der andere versucht, sich und dem Land still eine kleine Würde zu erhalten, indem er nicht auf (aus seiner Sicht banalen) Optimismus einschwenkt. Aber Schröder auch nie so offen Widerstand leisten würde. Diese Haltung ist nun nicht mehr zu ändern.

Das Land bietet mit der Wahl für die kommende Zeit einen wichtigen Anhalt. 54 Prozent der Bürger sind noch unentschlossen, die Wahlbeteiligung kann nach allen Vorhersagen unter 60 Prozent sacken. Darin liegt, so überraschend es klingt, positiv gedacht eine Chance. Hier lassen sich noch Stimmen sammeln, allerdings nur von dem, der mobilisieren kann. Das Risiko lautet so: Wer sich bisher nicht entschieden hat, oder wer nicht sagen will, wie er sich entscheiden wird, der verbindet damit oft extremes Unbehagen über die Politik - und verbirgt dann gern die Neigung, politisch extrem zu wählen.

Das war in Sachsen-Anhalt beim letzten Mal die DVU-Gelegenheit mit 12,9 Prozent, heute ist es der Schill-Faktor. Der lässt sich nach der Wahl leichter über das Land hinaus hochrechnen, und da ist ein neuer Schock möglich. Gegenwärtig grassiert Schill. Das ist schwer zu ändern - und bedroht die Chancen von FDP und Grünen. Besonders die Grünen: Denn überall da, wo Profilierung mehr sein soll als bloße Oberflächenbeschreibung, stoßen sie in diesem Land auf eine Stimmung, die schlicht nach mehr Führung verlangt. Sie begegnen Menschen, die (zurzeit) nicht über Anforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts diskutieren wollen. Die gegenwärtig erschöpft sind vom Kampf um Lebensqualität und ihre immer stärker mit der im Westen vergleichen. Denen Fortschritte bei der Demokratisierung nicht so wichtig sind wie mehr Kindergeld, eine sichere Altersvorsorge, weniger Steuern. Die in ihren Ansprüchen nicht ruhigmoderiert, sondern von dem Gefühl der Unterlegenheit befreit werden wollen, pragmatisch, notfalls auch ökonomistisch, Hauptsache dynamisch. Gerade Höppner weiß das nur zu gut.

Das Wahlergebnis vom Sonntag kann Eigendynamik entwickeln und sich verselbstständigen, sagen manche Wahlforscher und hoffen einige Wahlstrategen. Es kann Stimmungen, am Ende sogar das Stimmverhalten verändern. Vor vier Jahren waren die Umfragen so: Die Partei des Kandidaten lag mit 41 Prozent vorn, die des Amtsinhabers kam auf 34 Prozent. Es war so wie jetzt, vor Sachsen-Anhalt.

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