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Sachsen: Ermittlungen gegen den Ermittler

SPD-Mann Karl Nolle ist Sachsens eifrigster Kritiker – nun ist er selbst verdächtig. Die Dresdner Staatsanwaltschaft will gegen den Landtagsabgeordneten und Druckereiunternehmer ein Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs einleiten.

Von Matthias Schlegel

Berlin/Dresden - Es geht um die Frage, ob Nolle bei der Beantragung von Investitionszulagen 2005 bis 2007 unzutreffende Angaben gemacht hat. Darüber wurden Nolle und Landtagspräsident Erich Iltgen am Donnerstag zeitgleich informiert. Wenn der Landtagspräsident dem Ansinnen der Staatsanwaltschaft nicht binnen 48 Stunden widerspricht, wird das Ermittlungsverfahren aufgenommen.

Normalerweise wäre dieser Vorgang kaum erwähnenswert – würde es sich bei Nolle nicht um die schillerndste Figur im sächsischen Landtag handeln. Im Mai soll Nolles seit Wochen angekündigtes Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ erscheinen. Darin rechnet der auch in der eigenen Partei umstrittene SPD-Mann, der mal im Juso-Bezirksverband Hannover Stellvertreter von Gerhard Schröder war und seit dem Tag des Mauerfalls in Dresden lebt, mit der sächsischen CDU ab. Er wirft zahlreichen Landtagsabgeordneten, allen voran Ministerpräsident Stanislaw Tillich, vor, ihre Blockpartei-Biografie bereinigt und beschönigt zu haben, um nach der Wende Karriere zu machen.

Als „Chefaufklärer“ hatte sich Nolle bereits mit fragwürdigen Praktiken des damaligen Regierungschefs Kurt Biedenkopf bei der Errichtung eines Leipziger Behördenzentrums und mit der Rolle Georg Milbradts beim Desaster der Sachsen LB betätigt. Milbradt warf entnervt das Handtuch. Ungeachtet dessen, dass die SPD inzwischen mit der CDU eine Koalition bildete, trieb Nolle auch parlamentarische Untersuchungen zur „Sachsen-Sumpf“- Affäre voran.

So nimmt es nicht wunder, dass bei manchem nun der Verdacht keimt, hier solle ein notorischer Widersacher abgestraft werden, zumal der ganze Vorgang durch Indiskretion öffentlich wurde. Den Verdacht formulierte als erster Linkspartei-Politiker Klaus Bartl, wie Nolle ein unermüdlicher Ankläger des vermeintlichen CDU-Klüngels in Sachsen. Hier solle offenbar ein „anerkannter Kritiker“ der sächsischen Staatsanwaltschaften mit einem „ehrabschneidenden Verdacht“ in Verbindung gebracht werden, mutmaßt Bartl.

Die Staatsanwaltschaft stellt klar, dass die Ermittlungen nicht auf eine private Anzeige, sondern auf eine Mitteilung der Bußgeld- und Steuerstrafsachenstelle des Finanzamtes Freital zurückgingen. Auch habe er keinerlei voreilige Stellungnahmen abgegeben oder Medien unter der Hand bedient, sagte ihr Sprecher Christian Avenarius dem Tagesspiegel. „Idiotischerweise“ seien allerdings zunächst nicht unterzeichnete Schreiben an Nolle und Iltgen herausgegangen, die beide zurückerbeten und dann durch autorisierte Schreiben ersetzt worden seien.

Derzeit prüft der Landtagspräsident das Schreiben. In 19 Jahren sei es nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass gegen die Aufhebung der Immunität Widerspruch eingelegt wurde, sagte Landtagssprecher Ivo Klatte. Das Gesetz setze dafür enge Grenzen. So werden die Ermittlungen wohl ihren Lauf nehmen.

Nolle selbst nennt die Vorwürfe „substanzlos“ und „hanebüchen“. Ein einziger Anruf bei ihm hätte die Angelegenheit klären können. Das weist Avenarius zurück: Die Staatsanwaltschaft dürfe vor Aufhebung der Immunität nicht tätig werden – auch nicht mit einem Anruf.

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