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Sachsen: Tillich hat die Wahl

Unter Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat sich die CDU gefangen – nun kann er weiter mit der SPD oder mit der FDP regieren.

Stanislaw Tillich war glücklich. „Es ist so gekommen, wie ich es mir gewünscht habe“, sagte der sächsische Ministerpräsident, als sich die Hochrechnungen am Sonntagabend stabilisierten. Gut 40 Prozent für die CDU, das Ergebnis von 2004 in etwa gehalten, während die langgedienten Kollegen Dieter Althaus und Peter Müller einbrachen – der erst im Mai 2008 nach dem Rücktritt von Georg Milbradt ins Amt gelangte Tillich hat seine Bewährungsprobe bestanden. Der Wahlkampf der Sachsen-Union war ganz auf ihn zugeschnitten, ein Risiko, das aufging. Zumal die Christdemokraten im größten ostdeutschen Bundesland heftig zerstritten waren, als Tillich im Vorjahr die Führung in Regierung und Partei übernahm. Nach jahrelangen Machtquerelen zwischen Milbradt und dessen Vorgänger Kurt Biedenkopf war mit dem Debakel der Landesbank Ende 2007 endgültig der Lack ab bei der machtbewussten und machtverliebten Landes-CDU, die bis 2004 noch allein regiert hatte. Hätte Tillich nicht das relativ gute Ergebnis geliefert, die Querelen hätten wohl wieder begonnen.

Aber er hat geliefert, und das wird auch die Kanzlerin glücklich machen. Angela Merkel kann an diesem Montag – neben zwei Verlierern – auch einen Sieger präsentieren. Und eine schwarz-gelbe Mehrheit im Dresdner Landtag – das erwünschte Signal für den Bundeswahlkampf. Immerhin eines. Das betonte auch der sächsische FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow, der die Liberalen von 1,1 Prozent im Jahr 1999 auf jetzt zehn Prozent hievte. „Ein historisches Ereignis“ billigte sich der PR-Profi aus Dresden zu. Möglicherweise besser als die SPD. Das gab’s noch nie. „Das Resultat zeigt auch, dass selbst in einem Sechsparteienparlament bürgerliche Mehrheiten möglich sind“, frohlockte Zastrow.

Tillich ließ am Abend, zumindest nach außen, die Koalitionsfrage offen. Er habe die Wahl, sagte er. Schließlich wäre auch die Fortsetzung des bisherigen Bündnisses mit der SPD möglich. Ein bisschen Verhandlungspoker mit Liberalen und Sozialdemokraten, um das Ergebnis günstiger zu gestalten, das würde der Union sicher gefallen. Aber diese Option ist Tillich schon am Wahlabend von den Sozialdemokraten entwunden worden. Zwar blieb der SPD-Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Thomas Jurk in seiner Enttäuschung über das wieder einmal schlechte Ergebnis eher vage. Dafür sprach der prominenteste sächsische Sozialdemokrat, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Klartext. „Die FDP wird wahrscheinlich der Koalitionspartner sein, mit Schwarz-Gelb wird es einen Rutsch in Sachsen geben, hin zu einer schlechteren Politik bei Bildung und Arbeitsplätzen“, sagte er. Das war die Bundessicht, denn ein Wahlkampf zur Verhinderung von Schwarz-Gelb im Bund kann eine solche Konstellation in Sachsen gut gebrauchen. Tillich hatte freilich schon vor der Wahl eine Regierung mit der FDP als Wunsch bezeichnet. Wie es in Dresden heißt, dürfte die Regierungsbildung schnell vorankommen. Ein Ergebnis soll noch vor der Bundestagswahl am 27. September stehen.

Zu den Gewinnern der Wahl gehörten auch die Grünen, die ihr bestes Ergebnis seit 1990 holten. Die resolute Spitzenkandidatin Antje Hermenau nahm das als Bestätigung für gute Oppositionsarbeit. Die Linkspartei als größte Kraft in der Opposition verlor dagegen. Die Partei ist im Osten an ihren Grenzen angelangt, gut 20 Prozent in Sachsen – das könnte das Ende der Fahnenstange sein. Der neue Linken-Spitzenkandidat André Hahn, erst seit 2007 Fraktionschef im Landtag, konnte der in Sachsen traditionell eher biederen einstigen PDS auch nicht mehr Pepp geben. Hahns Auftreten als Ministerpräsidentenkandidat trotz absehbar fehlender Machtperspektive wirkte so unglücklich wie einst Guido Westerwelles Anspruch, auch Kanzlerkandidat zu sein. Am Schluss blieb nur die Klage über andere: Mit einer SPD, die sich der CDU anbiedere, sei eben keine Wechselstimmung zu erzeugen.

Die CDU hat sich unter Tillich also gefangen. Am Ministerpräsidenten allein kann es nicht gelegen haben, dafür ist er nicht lang genug im Amt. Aber woran liegt es dann, dass die CDU es trotz all ihrer Querelen und Machtkämpfe in den letzten Jahren schafft, die landespolitische Bühne zu dominieren? Es sind wohl Kurt Biedenkopfs erste Amtsjahre, die der sächsischen CDU bis heute ihre relative Stärke verleihen. „König Kurt“ gelang es, sein Sachsen ein Weilchen als Experimentierstube für ganz Deutschland erscheinen zu lassen. Sächsische Wege statt Nachbau West. Davon redete er daheim wie auswärts gern und viel. Wenn die Kanzlerin jetzt zum Wahlkampfabschluss die Spitzenplätze sächsischer Schüler in Vergleichsstudien loben konnte, dann geht das auf schulpolitische Entscheidungen aus den 90er Jahren zurück. Auch die Strategie unter Biedenkopf und Milbradt, die Verschuldung möglichst gering zu halten, zahlt sich für die CDU aus. Vom einstigen Reformkurs und solider Politik in frühen Jahren zehrt die Sachsen-Union bis heute. Das ist die Herausforderung, vor der Tillich nun steht.

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