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Stanislaw Tillich

© dpa

Sächsischer Regierungschef: „Die Ost-CDU war Teil des SED-Systems“

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat eine Erklärung vorgelegt, die dunkle Stellen in seiner Biografie klären soll. Nun werfen ihm Kritiker vor, er wolle sich als Widerständler darstellen.

Von Matthias Schlegel

"Ich gehe damit ganz offen um." Nach den Vorwürfen gegen Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU), er habe Teile seiner DDR-Biografie verschwiegen, klingt die Überschrift zu einer sechsseitigen Erklärung, die er jetzt dazu vorgelegt hat, ein wenig verblüffend. Ihm war vorgehalten worden, dass er auf seiner Homepage nur von einer "Tätigkeit bei der Kreisverwaltung Kamenz" gesprochen, nicht aber erwähnt hatte, dass er im Mai 1989 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises aufgestiegen war. Dies sei "kein besonderes Ruhmesblatt in meiner Biografie", bekennt Tillich. "Heute würde ich mich anders entscheiden." Die Blockpartei CDU sei "Teil des SED-Systems gewesen. Sie hat zur Stützung des Staatsapparates beigetragen", schreibt er. "Das ist die historische Wahrheit und mit der muss ich leben und mit dieser Wahrheit kann ich heute auch leben."

Seine berufliche Entwicklung stellt Tillich in den Kontext des DDR-Alltags zwischen Anpassung und Frust. Beim Reservistendienst für die Armee habe er für die SED geworben werden sollen, verbunden mit der Aussicht, in seinem Konstruktionsbetrieb eine leitende Position zu übernehmen. "Da ich ablehnte, wurde mir erklärt, weitere Entwicklungsmöglichkeiten im Betrieb seien für mich ausgeschlossen." Seinen Eintritt in die CDU im März 1987 habe er "als persönliche Absage an die SED, vor der ich Ruhe haben wollte", empfunden. Die frei gewordene Position beim Rat des Kreises sei ihm 1989 von der CDU angeboten worden. Dort sei ihm dann klar geworden: "Das Spiel, das bis dato mit den Menschen gespielt wurde, war zutiefst zynisch, und es war wichtig, es schnell zu beenden. So dachten in diesen Wochen viele DDR-Bürger, ob nun parteilos, Mitglied der CDU oder sogar der SED."

Die Akzeptanz der führenden Rolle der SED habe nicht "ab einer bestimmten Funktion begonnen, sondern war die Grundlage des Lebens in der DDR", so Tillich. Sie habe weder von CDU-Mitgliedern noch von anderen ungestraft infrage gestellt werden dürfen: „Das heißt aber keinesfalls, dass wir sie tatsächlich ideologisch anerkannten." Weder in der Diktatur noch unter anderen Verhältnissen gebe es nur eine richtige Handlungsweise. Sein Respekt gelte denen, die zur Kommunalwahl im Mai 1989 in den Wahllokalen die Fälschungen aufgedeckt hätten. "Ich war damals noch nicht so weit." Heute fühle er sich "zutiefst verpflichtet, ihre Verdienste für unsere Gemeinschaft zu verteidigen".

Einige von denen, die damals die Stimmauszählungen kontrollierten, saßen am Dienstag in Berlin in einer Tagung des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, die sich mit der DDR-Opposition befasste. Ohne den Namen Tillich zu nennen, äußerten gleich mehrere Redner ihr Befremden: Die Mitgliedschaft in einer Blockpartei als Ausweichen vor der SED und somit als einen Akt des Widerstands hochzustilisieren, sei schlicht Unsinn.

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