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Sanktionen: Über Druck zur Arbeit

Bundesweit gab es laut Bundesagentur für Arbeit von Januar bis Oktober 2009 rund 600.000 Sanktionen – 95.000 davon für die Verweigerung zumutbarer Arbeit oder Ausbildung. Wie die Jobcenter Sanktionen einsetzen.

Berlin - Die Gesetzeslage ist eindeutig: Wer eine angebotene Arbeit oder einen Ein-Euro-Job ablehnt, dem kann der Regelsatz von derzeit 359 Euro im Monat für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden. Bei wiederholten Pflichtverletzungen steigt die Kürzung auf 60 Prozent, am Ende wird die Leistung inklusive Unterkunftskosten ganz gestrichen. Klienten unter 25 Jahren bekommen schneller Druck: Jobcenter können bereits bei der ersten Pflichtverletzung den vollen Regelsatz streichen. Kürzungen drohen auch beim Abbruch von Beschäftigungsmaßnahmen, wenn weniger Bewerbungen als vereinbart geschrieben werden oder ein Termin im Jobcenter nicht eingehalten wird.

Bundesweit gab es laut Bundesagentur für Arbeit (BA) von Januar bis Oktober 2009 rund 600 000 Sanktionen – 95 000 davon für die Verweigerung zumutbarer Arbeit oder Ausbildung. Insgesamt hatten im Jahr 2009 im Jahresdurchschnitt etwa 6,5 Millionen Menschen Anspruch auf Hartz IV, darunter 1,7 Millionen Kinder.

Regional unterscheidet sich die Sanktionspraxis in Deutschland laut BA-Statistik: So liegt Bayern mit einer Quote von 3,2 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebezieher im Bundesvergleich vorne, während Sachsen (2,0 Prozent), Bremen (2,0 Prozent) und Brandenburg (2,1 Prozent) die Schlusslichter sind. Berlin liegt mit 2,8 Prozent im Mittelfeld – das heißt: Von allen Berliner Hartz-IV-Empfängern, die in der Lage wären, mehr als drei Stunden am Tag zu arbeiten, haben 3,2 Prozent mindestens einmal die Leistung gekürzt bekommen. Nach Angaben einer BA-Sprecherin hängen die Unterschiede beim Einsatz von Sanktionen in den Bundesländern von der Arbeitsmarktlage ab: „Sanktionen kann man nur dort verhängen, wo es auch Arbeitsangebote gibt.“

Dass Sanktionen gezielt gegen Arbeitsunwilligkeit wirken, bezweifelt jedoch der Wissenschaftler Ingmar Kumpmann vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle: In einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 schreibt er, die Hauptwirkung bestehe vermutlich darin, „eine allgemeine Atmosphäre des Drucks“ zu erzeugen, in der die Konzessionsbereitschaft von Arbeitslosen gegenüber potenziellen Arbeitgebern erhöht werde. 

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