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Politik: Sarkozy droht Schiffbruch

EU-Kommission will den französischen Präsidenten nicht als Vorsitzenden der „Mittelmeerunion“

Brüssel - Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy macht bei der Europäischen Union eine ganz neue Erfahrung: Er ist nur einer von 27 und muss noch viel dazulernen. Beim nächsten EU-Gipfel am 19. Juni in Brüssel droht dem zierlichen Franzosen mit dem Hang zum Großen ein Lieblingsanliegen endgültig aus der Hand genommen zu werden. „Seine Ideen sind im Rat nicht mehrheitsfähig“, formuliert ein EU-Diplomat in Brüssel nüchtern. Die Rede ist vom Vorsitz in der Mittelmeerunion der EU mit den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens, den Sarkozy für sich beansprucht.

Die Ansicht von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, dass der Vorsitz auf EU-Seite spätestens ab Januar 2009 vom dann neu amtierenden EU- Ratspräsidenten und EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso wahrgenommen werden muss, ist vorläufiger Tiefpunkt einer Idee, die Sarkozy Anfang 2007 für besonders clever hielt. Und alles deutet darauf hin, dass die Stimmung des Élysée-Herrschers bereits Anfang Juni erneut leidet: EU-Währungskommissar Joaquin Almunia bereitet – ungerührt von der am 1. Juli beginnenden sechsmonatigen Ratspräsidentschaft Frankreichs – eine peinliche Verwarnung wegen eines zu hohen Haushaltsdefizits vor.

„Ein Lehrbeispiel dafür, wie man eben keine Politik machen kann“, nennt ein EU-Diplomat den Versuch Sarkozys, die „Mittelmeerunion“ zu schaffen. Ursprünglich sollte es nur ein Zusammenschluss aller Mittelmeeranrainer werden – als Alternative zum EU-Beitritt der Türkei unter Pariser Führung ebenso wie als Gegengewicht zu dem, was Sarkozy als Ostausrichtung der EU unter deutscher Ägide beargwöhnt. Nicht nur bei Türken und Deutschen hielt sich die Begeisterung über den Vorschlag in Grenzen. Ferrero- Waldner – zuständig für den 1995 gegründeten „Barcelona-Prozess“ für engere Beziehungen zwischen der gesamten EU und den südlichen und östlichen Mittelmeerstaaten und von Sarkozy implizit der Untätigkeit geziehen – grollte.

Als die Staats- und Regierungschefs der EU im März erstmals über das Thema redeten, lag ihnen ein gemeinsames Papier von Merkel und Sarkozy vor. Es erklärte die Mittelmeerunion zum Projekt der gesamten EU und zur Fortsetzung des „Barcelona-Prozesses“. Dass Sarkozy sich am 13. Juli beim Mittelmeergipfel in Paris nicht mal für die ersten beiden Jahre als „Gründungspräsident“ feiern lassen soll, wird mit den Vorschriften des neuen EU- Vertrags zur gemeinsamen Außenpolitik begründet. Und in der Kommission ist man zuversichtlich, dass auch der EU- Gipfel vom Juni daran nichts mehr ändert. „Frankreich steht in dieser Frage ziemlich alleine“, heißt es.Dieter Ebeling (dpa)

Dieter Ebeling (dpa)

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