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Politik: Sauer auf die große Schwester

Köhlers Plädoyer für Merkels Kanzlerkandidatur zeigt die Risse in der Union – die CSU fühlt sich von der CDU wie ein Landesverband behandelt

Horst Köhler ist für ein paar Tage in die USA geflogen. Der Kandidat von Union und FDP für das Amt des Bundespräsidenten hat allerlei in der bisherigen Heimat Washington zu regeln. In Deutschland lässt er zwei Parteien zurück, die verärgert sind.

In der CSU ist der Unmut am größten. Er gilt weniger Köhlers Satz, er werde auch unter einer Kanzlerin Angela Merkel weiter auf Reformen drängen, als vielmehr der CDU-Reaktion hierauf. Die in der CSU als klammheimliche Freude wahrgenommen wurde. Bei einer CSU-Sitzung am Montag in München beschimpften jedenfalls bayerische Bundestagsabgeordnete die CDU als selbstherrlich. Die gönnerhafte Interpretation des Köhler-Satzes als Ausrutscher ist da nur ein Indiz. Mehrere Christsoziale rügten, ihre Partei werde wie ein Landesverband behandelt. Am deutlichsten wurde Staatskanzleichef Erwin Huber. Er sprach sich gegen weitere gemeinsame Präsidiumssitzungen beider Unionsparteien aus. Nur Landesgruppenchef Glos nahm dem Protest seine Schärfe, als er völlig unerwartet und eher nebenbei verkündete, man solle doch nicht jede Bemerkung auf die Goldwaage legen, die wahrscheinlich eintreffen werde. Wie die von Merkels Kanzler-Anwartschaft. Damit hatte Glos völlig überraschend Merkel zur Favoritin der Union gekürt und Köhler Recht gegeben.

Zuvor hatte sich Köhler bei CSU-Chef Edmund Stoiber entschuldigen müssen, und die Bayern mahnten den Kandidaten, sich aus Personalfragen herauszuhalten. Auch die CDU beeilte sich klarzustellen, dass die K-Frage sich erst 2006 stelle. Wie angespannt das Verhältnis beider Parteien zueinander ist, lässt sich indes nicht mehr verhehlen. Im Wahlkampf 2002 mag Harmonie geherrscht haben. Jetzt dominieren die Sticheleien. Erst gebärdete sich die CSU bei den Reformvorschlägen als Bollwerk des Sozialen und bremste radikale Steuerkonzepte der CDU, dann brach der tarifpolitische Streit mit umgekehrten Vorzeichen aus. Nun war es die CSU, die weitergehende Lockerungen verlangte. Karl-Josef Laumann (CDU) schimpfte über die Rücksichtslosigkeit der CSU; Andreas Scheuer (CSU) konterte, die CDU sei ein „Hühnerhaufen“. Doch Köhler rührt am Allerheiligsten, der Kanzlerkandidatur der Union.

„Mit welcher Begründung sollte die CDU noch einmal einen Kandidaten hinnehmen, der der CSU angehört?“, fragt Brandenburgs Jörg Schonböhm im „Focus“. Natürlich werde Merkel Kanzlerkandidatin. Nur: Durfte Köhler dies aussprechen? Und es gar als Hoffnung bezeichnen? Offiziell ist auch die CSU um Schadensbegrenzung bemüht. „Nett gemeint“ und „in unbedachter Weise dahingesagt“ seien Köhlers Worte, sagte CSU-Geschäftsführer Peter Ramsauer der „Süddeutschen Zeitung“. Jetzt hat Glos nachgelegt und als erster in der CSU-Spitze ausgesprochen, was alle sowieso denken.

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