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Politik: Schäfer nach Chile abgeschoben

Nur zwei Tage nach seiner Festnahme in Argentinien ist der frühere Chef der berüchtigten Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad", Paul Schäfer, am Sonntag nach Chile abgeschoben worden. Die chilenische Justiz wirft ihm Kindesmissbrauch in 26 Fällen und Beteiligung an Verbrechen der Pinochet-Diktatur vor.

Buenos Aires/Santiago (13.03.2005, 22:36 Uhr) - Der 83-jährige Deutsche wurde auf dem Stadtflughafen von Buenos Aires der chilenischen Polizei übergeben und in einem Lear-Jet der Luftwaffe nach Santiago geflogen. Dort wurde er in die Krankenabteilung der Polizei gebracht. Später sollte er dem Richter Joaquín Billard vorgeführt werden.

Schäfer, der 1961 die sektenartige Siedlung «Colonia Dignidad» im Süden Chiles gegründet hatte, war nach jahrelanger Flucht am Donnerstag in einem Haus bei Buenos Aires aufgespürt worden. Wegen Herzkreislaufproblemen wurde er in ein Krankenhaus gebracht. Bei der Abschiebung fuhren ihn Sanitäter im Rollstuhl bis zum Flugzeug, in dass Schäfer dann selbstständig einstieg. In dem Flugzeug kehrte auch Chiles Vize-Innenminister Jorge Correa Sutil zurück, der die Verhandlungen in Buenos Aires geführt hatte.

Die Abschiebung sei möglich geworden, weil die chilenische Justiz ihren internationalen Haftbefehl gegen Schäfer zurückgezogen habe, berichteten chilenische Medien. Daraufhin habe der zuständige argentinische Richter seine Ermittlungsakten geschlossen und den Verdächtigen zur Abschiebung durch die Ausländerpolizei frei gegeben.

Chile hatte kurz vor einem Besuch von Argentiniens Präsidenten Néstor Kirchner ab diesem Sonntag in Santiago erheblichen Druck für eine Abschiebung und die Vermeidung eines langwierigen Auslieferungsverfahrens gemacht. Schäfer müsse schnell vor Gericht gestellt werden, sagte Präsident Ricardo Lagos. Kirchner, der sich ursprünglich auf Kritik an zu geringen Erdgaslieferungen an das Nachbarland gefasst machen musste, kann nun auf eine wesentlich bessere Atmosphäre hoffen. Und auch der Regierung in Santiago kommt der Erfolg vor den Präsidentenwahlen im Dezember gelegen.

Schäfer wurde auch von der Bonner Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs gesucht. Ein Auslieferungsantrag war jedoch noch nicht gestellt worden. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte die Festnahme Schäfers am Freitag als «gute Nachricht» begrüßt. Nun werde eine umfassende Aufklärung und Ahndung aller kriminellen Handlungen in der früheren «Colonia Dignidad» möglich, sagte der Minister. Correa Sutil hatte in Buenos Aires angedeutet, dass Deutschland Chile bei der strafrechtlichen Verfolgung den Vortritt lassen werde.

Der chilenische Rechtsanwalt Hernán Fernández, der Mandanten vertritt, die nach eigenen Angaben als Jugendliche in der «Colonia Dignidad» sexuell missbraucht worden waren, beklagte, dass die etwa 300 deutschen Bewohner der 1991 in «Villa Baviera» (Villa Bayern) umbenannten Siedlung noch immer in dem von Schäfer geprägten System leben müssten. Bei der heutigen Führungsschicht handele es sich um ehemalige Vertraute Schäfers. Ein Sprecher der heute weitgehend offenen Siedlung begrüßte die Festnahme Schäfers und sagte der Justiz volle Kooperation zu. (tso) ()

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