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Auslegungsfähig. Umstrittene Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble zur Euro-Krise im Wahlkampf und zu den Koalitionsgesprächen nach der Wahl werden in der Union mittlerweile zunehmend kritisch gesehen. Foto: dpa

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Politik: Schäubles Patzer

Der Finanzminister wird zum Problem der Union – verliert er am Ende sein Ressort?

Von Robert Birnbaum

Berlin - Hermann Gröhe wirkt nun doch etwas angenervt. Der CDU-Generalsekretär hat gerade erläutert, dass und wie die Christlich-Demokratische Union erst bei der SPD und dann bei den Grünen ausloten will, ob sie ernsthaft zum Mitregieren bereit seien, hat zugleich alle Fragen nach inhaltlichen Linien abgewehrt, aber in einem Punkt sich doch noch mal zur Klarstellung genötigt gesehen: Im Parteipräsidium sei es „die einhellige Überzeugung aller“ gewesen, „dass es mit uns keine Steuererhöhungen geben wird“. Wenn es nach Gröhe ginge, wäre das Thema damit erledigt. Aber einer fragt nach: Ob Wolfgang Schäuble der CDU-Spitze erläutert habe, wie er seine Interviewsätze aus der vorigen Woche gemeint habe? „Wir haben auf die Einzelexegese von Äußerungen und deren Interpretation verzichtet“, gibt Gröhe etwas spitz zurück.

Tatsächlich hat Schäuble in der Sitzung gar nichts zum Thema gesagt, und es hat ihn auch keiner gefragt. Schließlich ist der Schaden auch so schon groß genug. In der Woche nach ihrem haushohen Sieg war die CDU vorwiegend damit beschäftigt, sich gegen den Vorwurf des gebrochenen Wahlversprechens zur Wehr zu setzen. Schäuble hatte den Verdacht mit einem Satz befördert, der in anderem Zusammenhang als der Steuerfrage nichts weiter als eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre: Man müsse sehen, was am Ende bei Koalitionsverhandlungen herauskomme.

Dass das als Hinweis gelesen wurde, selbst beim Thema Steuern lasse die CDU mit sich reden – „Schäuble hätte das wissen müssen“, sagt ein Präsidiumsmitglied. Der Mann sei schließlich lange genug im politischen Geschäft, und als Finanzminister müsse er seine Worte noch einmal ganz besonders wägen. Außerdem sei der Kabinettssenior für sibyllinische Andeutungen bekannt – da werde jeder Satz auf Hinweise abgeklopft.

Gröhe hatte sofort versucht, die Welle mit einer Klarstellung „aus der Parteispitze“ aufzuhalten, doch da rollte sie schon. Das Ergebnis war blamabel. Die Union hatte sich im Wahlkampf grundsatzstark über die Steuerpläne von SPD und Grünen erregt – drei Tage später erschienen die Grundsätze plötzlich nur als Verhandlungsmasse. In den Wahlkreisen begannen CDU-Anhänger ihren Abgeordneten zornige Fragen zu stellen. Schließlich musste am Wochenende die Unionsführung ran, mussten CSU-Chef Horst Seehofer und Fraktionschef Volker Kauder ausdrücklich auch namens der Kanzlerin an die Öffentlichkeit, um den Flächenbrand auszutreten.

Für Schäuble ist die Sache besonders peinlich, weil jedem in der CDU ein anderer Lapsus noch sehr gut in Erinnerung ist: das Ding mit dem dritten Griechenland-Paket. Mitten im Wahlkampf und mitten in der Provinz hatte der Finanzminister ein drittes Hilfspaket für die Griechen für quasi beschlossene Sache erklärt. Dass ein paar Gutmeinende versuchten, das auch noch zur subtilen Strategie zu erklären, machte die Sache nur schlimmer. Die Demoskopen verzeichneten prompt einen sprunghaften Anstieg der „Alternative für Deutschland“. Bis dahin war die Anti-Euro-Partei unter die Aufmerksamkeitsschwelle gerutscht. Seit jenen Tagen schwoll ihr Zuspruch bis auf jene fast fünf Prozent an, mit der die AfD am Wahltag nur ganz knapp den Einzug in den Bundestag verpasste.

Seither fragen sich etliche in der CDU, ob Schäuble sich damals womöglich selbst ums Amt gebracht hat. Denn der Erfolg der AfD ging stark zulasten des CDU-Wunschpartners FDP. Ob aber in einer großen Koalition wieder ein Christdemokrat das Finanzressort besetzen kann, ist mindestens zweifelhaft.

Gröhe sagt dazu, dass er zu Ressortzuschnitten gar nichts sagt. Schließlich hat er gerade erst jene vorlauten Sozialdemokraten gegeißelt, die schon vor der ersten Sondierungsrunde Kabinettswunschlisten anmelden. Aber einen Satz muss er vorsichtshalber noch loswerden: „Sie können sicher sein, dass wir der Überzeugung sind, dass wir einen sehr, sehr guten Finanzminister haben.“ Nicht, dass als Nächstes einer vermeldet, die CDU bestehe nicht auf Schäubles Ministerium!

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