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Politik: Schlag ins Gesicht

Von Clemens Wergin

Der nordkoreanische Atomtest hat ein Beben der Stärke 3,7 auf der Richterskala ausgelöst. Das politische Beben dürfte noch weit heftiger ausfallen. Das gilt für die Region Ostasien, wo sich nun die wirtschaftlichen Schwergewichte Japan und Südkorea von einem Führer atomar bedroht sehen, dessen Zurechnungsfähigkeit von manchem angezweifelt wird. Es gilt für die Supermacht USA, deren Territorium sich im Radius der neuen Generation nordkoreanischer Langstreckenraketen befindet. Und es gilt für die Welt insgesamt, die nun einen neuen atomaren Rüstungswettlauf fürchten muss.

Der Iran und Nordkorea wurden in den letzten Jahren als die Problemfälle angesehen, die entscheiden, ob der Atomwaffensperrvertrag die Weiterverbreitung dieser tödlichsten aller Massenvernichtungswaffen überhaupt noch unterbinden kann. Nordkorea könnte nun tatsächlich zu jenem Dominostein werden, der eine Kettenreaktion auslöst, an deren Ende eine Reihe von aufstrebenden und Mittelmächten sich Atomwaffen verschafft – von Südkorea über Japan, Brasilien, Iran, Ägypten, Türkei bis zu Saudi-Arabien. Man muss keine Kassandra sein, um vorherzusagen, dass eine solch weite Verbreitung von Nuklearwaffen deren Einsatz, und sei es aus Fehleinschätzungen heraus, weit wahrscheinlicher macht als bisher. Mit dem gestrigen Tag ist die Erde ein weitaus gefährlicherer Ort geworden, als sie es ohnehin schon war.

Dass Nordkorea mit diesem Atomtest nun zur achten offiziellen Atommacht aufsteigt (die neunte ist Israel), ist eine schallende Ohrfeige für China. Es ist kaum vorstellbar, dass das ohne Folgen für beider Verhältnis bleibt. Schließlich ist das Regime in Pjöngjang abhängig von der Alimentierung Chinas und hat dessen Warnungen dennoch in den Wind geschlagen. Sollte Peking der alte Verbündete nun wichtiger sein als seine Ordnungs- und Stabilitätsfunktion in der Region, würde seine Außenpolitik um Jahre zurückgeworfen. Deshalb muss der westlichen Diplomatie daran gelegen sein, den Chinesen klarzumachen, dass nun der Moment der Wahrheit gekommen ist – Gleiches gilt übrigens für Russland.

Denn der Konflikt um Nordkoreas Bombe weist erstaunliche Parallelen zur Krise mit dem Iran auf. In beiden Fällen haben sich die UN-Vetomächte Russland und China schützend vor die Ahmadinedschads und Kim Jong Ils gestellt. Eine Politik, die im Falle Nordkoreas schon gescheitert ist – und im Falle Irans zu scheitern droht. Deshalb ist es nun wichtig, wie die Antwort der internationalen Gemeinschaft ausfällt. Nur eine drastische Verschärfung der Sanktionen gegen Pjöngjang wird auch Eindruck auf die Mullahs in Teheran machen.

Zu den Maßnahmen muss etwa eine verschärfte Kontrolle der Außengrenzen Nordkoreas gehören. Schon vorher leistete das Land ja einen wichtigen Beitrag zum internationalen „Schurkenbasar“, in dessen Zentrum der pakistanische Atomwissenschaftler A. Q. Khan stand. Früher hat Nordkorea vor allem seine Raketentechnik an Länder wie den Iran, Syrien und Pakistan geliefert. Angesichts der Finanznot der Regierungskader wird das Land nun auch verstärkt Nuklearmaterial und -Know-how zu versilbern suchen.

Nur eine harsche Reaktion gegen Nordkorea, die leider auch die ohnehin geschundene Bevölkerung treffen wird, sendet die notwendigen Signale an andere Atomkandidaten und verhindert, dass nun alle Dämme des Atomwaffensperrvertrags brechen. Härte allein wird aber keinen Sinneswandel des Diktators bewirken. Die internationale Gemeinschaft und die in dieser Frage unentschlossene Bush-Regierung werden auch Angebote für einen nachprüfbaren Verzicht auf die Nuklearoption machen müssen.

Letztlich entscheidet aber die Kooperationsbereitschaft der wiedererstarkten und der kommenden Supermacht – Russland und China – darüber, ob wir in wenigen Jahrzehnten in einer atomwaffenstarrenden Welt leben, die weitaus unübersichtlicher und schwerer zu kalkulieren sein wird als im Kalten Krieg. Als Hoffnungsschimmer mag da gelten, dass der designierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sich bestens in den Atomverhandlungen mit Nordkorea auskennt.

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