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Politik: Schlechte Nachrichten unerwünscht

Nach der Explosion im Touristengebiet bei Antalya wollen Behörden von einem Terroranschlag nichts wissen

Die Wasserfälle von Manavgat bei Antalya gehören zu den beliebtesten Ausflugszielen im Süden der Türkei – doch am Sonntagnachmittag verwandelte sich die Idylle in ein „Schlachtfeld“, wie eine Zeitung schreibt. Eine Explosion in einem der Restaurants am Wasser tötete vier Menschen und verletzte 26 weitere. Augenzeugen berichten von Panik und blutüberströmten Opfern; einer Frau wurde ein Bein abgerissen. Drei der Toten waren Urlauber aus Norwegen, Russland und Ungarn. Zudem starb ein türkischer Kellner. Die Behörden sprechen von einem Unfall und wollen keine Debatte über einen möglichen Terroranschlag aufkommen lassen. Journalisten, die über das Ereignis berichten wollten, wurden krankenhausreif geschlagen.

Schon nach der Explosion in einem Müllcontainer auf einem von vielen Touristen besuchten Platz in der Innenstadt von Istanbul am 15. Juni hatten die Behörden die Medien aufgefordert, sich mit Rücksicht auf die Touristensaison mit Berichten über eine mögliche Bombe zurückzuhalten. Die „Freiheitsfalken Kurdistans“ (TAK), eine außerhalb des osttürkischen Kurdengebiets operierende Unterorganisation der Rebellengruppe PKK, erklärte kurz nach der Explosion von Istanbul, sie habe eine Bombe gezündet. Weitere würden folgen, drohte sie.

Wie leicht die türkische Tourismusbranche durch Gewalt oder die Androhung von Anschlägen zu treffen ist, hatte sich vor sieben Jahren gezeigt. Damals kündigte die PKK nach der Festnahme ihres Chefs Abdullah Öcalan an, sie werde in den Urlaubsgebieten angreifen – die Folge war ein dramatischer Rückgang der Besucherzahlen und der dringend benötigten Deviseneinnahmen der Türkei. Inzwischen hat die PKK nach Angaben von Dissidenten und türkischen Sicherheitskreisen die TAK gegründet, um nicht mehr mit Anschlägen auf ausländische Zivilisten in Verbindung gebracht zu werden. Im vergangenen Jahr tötete eine mutmaßliche Bombe der TAK im westtürkischen Kusadasi fünf Menschen, darunter zwei westliche Touristen.

Auch in Manavgat könnte die TAK nun zugeschlagen haben. Der zuständige Landrat erklärte zwar, die Explosion sei ersten Ermittlungen zufolge durch einen Gaszylinder in der Küche eines Restaurants ausgelöst worden. Zeitungen berichteten aber, möglicherweise sei eine in einer Mülltonne deponierte Bombe explodiert – Anschläge dieser Art sind typisch für die TAK. Vielleicht habe sich die Bombe gegen Tourismusminister Atilla Koc gerichtet, meldete eine Zeitung. Koc hatte zweieinhalb Stunden vor der Explosion die Gegend besucht.

Mögliche Zusammenhänge wie diesen genauer zu untersuchen, ist für Journalisten aber nicht einfach. Als die ersten Reporter am Explosionsort in Manavgat auftauchten, wurden sie von den dortigen Kleinunternehmern angegriffen, ihre Autos wurden mit Steinen beworfen, ihre Kameras in den Fluss geschleudert. „Spielt nicht mit unserem Broterwerb“, riefen die Angreifer.

Bloß keine weiteren Touristen verschrecken, lautet die Devise in Antalya. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen, die Furcht vor der Vogelgrippe und die Ablenkung durch die Fußball-WM in Deutschland haben in diesem Jahr die Zahl der Türkeireisenden einbrechen lassen. In den ersten fünf Monaten kamen zehn Prozent weniger Urlauber ins Land als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Leere Strände, leere Hotels, leere Basare – überall gibt es Sonderangebote knapp über oder schon unterhalb der Gewinngrenze. Mancherorts werden Hotelzimmer sogar gratis vergeben, damit die Urlauber zumindest durch Mahlzeiten und Getränke etwas Geld einbringen.

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