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Annelie Buntenbach (55) ist im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Mitglied der Grünen.

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Interview: "Schlecker darf nicht Schule machen"

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach über die Forderung nach einem Mindestlohn in der Leiharbeitsbranche.

Die Union hat sich lange gegen einen Mindestlohn in der Leiharbeit gewehrt. Nun will die Arbeitsministerin eine Lohnuntergrenze einziehen. Unterstützen Sie das?

Ein Mindestlohn in der Leiharbeitsbranche ist überfällig, um den Fall der Löhne ins Bodenlose zu stoppen. Es muss Schluss sein mit Löhnen von drei, vier oder fünf Euro. Jeder achte Leiharbeiter verdient so wenig, dass es nicht zum Leben reicht, und ist auf Hartz IV angewiesen.

Wenn man bei der Lohnuntergrenze auf die bestehenden Tarifverträge zurückgreift, könnte der Mindestlohn im Westen bei 7,60 Euro pro Stunde liegen, im Osten zwischen 6,40 und 6,65 Euro. Reicht das als Absicherung nach unten?

Nein, das reicht nicht, aber es wäre immerhin ein Anfang, der schnell auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben werden muss. Allerdings können mit einem Mindestlohn allein die groben Ungerechtigkeiten in der Leiharbeit nicht beseitigt werden. Es muss das Prinzip gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Sonst bleibt die Leiharbeit ein Instrument zu massenhafter Lohndrückerei. Hier finde ich den Gesetzentwurf von Frau von der Leyen enttäuschend.

Warum?

Wenn zum Beispiel ein fest angestellter Mitarbeiter in einem Metallbetrieb 15 Euro pro Stunde verdient und sein Kollege, der über die Leiharbeitsfirma kommt, nur die Lohnuntergrenze erhält, dann bekommt er für die gleiche Arbeit gerade mal die Hälfte. Das ist ungerecht und führt zu Beschäftigten erster und zweiter Klasse.

Ab Mai 2011 dürfen osteuropäische Firmen auch in Deutschland ihre Dienste anbieten. Sollte die Politik schon vorher einen Mindestlohn einführen?

Ja. Die Bundesregierung sollte nicht warten, bis die Löhne im Keller gelandet sind, denn da bekommt man sie nur schwer wieder raus. Im Übrigen muss auch für Beschäftigte ausländischer Firmen das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten, sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen und Lohndruck nach unten.

Die Arbeitsministerin will außerdem durch Gesetzesänderungen verhindern, dass künftig Stammbelegschaften durch Leiharbeiter ersetzt werden können. Wenn Ex-Mitarbeiter eines Betriebs als Leiharbeiter wieder eingestellt werden, sollen sie den gleichen Lohn wie ihre fest angestellten Kollegen erhalten. Lässt sich dadurch ein neuer Fall Schlecker verhindern?

Die Absicht, den Drehtüreffekt zu unterbinden, ist richtig. Der Fall Schlecker darf keine Schule machen. Aber bei der vorgelegten Regelung bleiben viele Fragen offen. Wir sehen immer noch eine ganze Reihe von Schlupflöchern. Zudem hindert es ein Unternehmen nicht daran, Mitarbeiter zu entlassen – und andere, billigere Leiharbeiter einzustellen. Da hilft nur gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Die Fragen stellte Cordula Eubel.

Annelie Buntenbach (55) ist im Vorstand des Deutschen

Gewerkschaftsbunds und Mitglied der

Grünen.

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