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Schleswig-Holstein: Carstensen startet reuevoll in den Wahlkampf

Über die Neuwahl wird erst heute entschieden, doch der Ministerpräsident tut bereits alles, um den Wahlsieg nicht zu gefährden: Zerknirscht räumt er jetzt eine Lüge ein.

Der Druck auf Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist enorm: Seine Koalition mit der SPD ist zerbrochen, die Abstimmung über die Selbstauflösung des Landtags wird er wohl verlieren und er steht vor einem erbitterten Wahlkampf mit seinem Widersacher, SPD-Landeschef Ralf Stegner. Nun muss der CDU-Politiker auch noch offen einräumen, dass er zu der umstrittenen Millionen-Zahlung an den Chef der HSH Nordbank eine falsche Angabe gemacht hat. Die Genossen triumphieren.

Carstensen hatte in einem Brief geschrieben, dass die Zuwendung an den HSH-Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher mit vorherigem Einverständnis "der Spitzen der die Regierung tragenden Fraktionen beschlossen" worden sei, also auch mit der SPD-Fraktion. Diese Formulierung, so der Ministerpräsident am Sonntag, sei nicht richtig gewesen. "Das ist eine Formulierung, über die ich vielleicht ein bisschen flott hinweggegangen bin." Er sei eben nicht davon ausgegangen, dass sie falsch war. "Da es seitens der SPD keine Reaktion gegeben hat, bin ich von deren Zustimmung ausgegangen", sagt Carstensen. Zudem habe ja SPD-Innenminister Lothar Hay sein Einverständnis gegeben.

Die Auseinandersetzung um diese Bonuszahlungen führten überhaupt erst zum Bruch der Großen Koalition. Stegner hatte angegeben, von den Millionen für Nonnenmacher nichts gewusst zu haben – eine Äußerung, die sich nach Carstensens Geständnis nun als Wahrheit entpuppt. Am vergangen Donnerstag aber verkündete der Regierungschef seinerseits das Aus der Zusammenarbeit mit der SPD, wiederum mit Verweis auf Stegners Unzuverlässlichkeit. Der Sozialdemokrat würde sich an keine Vereinbarung halten.

Nach diesem Bruch entscheidet an diesem Montag nun der Kieler Landtag über seine Selbstauflösung und damit über eine Neuwahl parallel zur Bundestagswahl am 27. September. Sowohl die CDU als auch die gesamte Opposition aus FDP, Grünen und Südschleswigschen Wählerverband (SSW) hatten einen entsprechenden Antrag eingereicht. Allerdings dürfte die für die Selbstauflösung notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kommen. Die SPD hatte bereits vergangene Woche angekündigt, das Vorhaben geschlossen abzulehnen.

Sollte Carstensen die Abstimmung tatsächlich verlieren, bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Er muss zurücktreten oder ein Misstrauensvotum stellen – ein verfassungsrechtlich umstrittener Weg. Bislang hatte er sich beiden Optionen mit Verweis auf die Abstimmung am Montag verweigert, nun kündigte er an, die Vertrauensfrage zu stellen. Sollte es im Landtag keine Mehrheit für die Selbstauflösung geben, sagte Carstensen am Sonntag, sehe er sich zu diesem Schritt gezwungen. "Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr groß."

Die Kieler Sozialdemokraten gehen inzwischen einen Schritt weiter und fordern den Ministerpräsidenten erneut zum Rücktritt auf – nicht zuletzt befeuert durch dessen Eingeständnis, nicht ganz die Wahrheit gesagt zu haben. "Man weiß gar nicht, was man merkwürdiger finden soll: Dass jemand dem Parlament die Unwahrheit sagt, oder aber dass er behauptet hat, dass er den Brief nicht richtig gelesen hat, der etwas mehr als eine Seite lang war", empörte sich SPD-Spitzenmann Stegner. Carstensen sollte nun nicht daran denken, den Landtag aufzulösen, sondern eher zurücktreten.

So oder so – bei einer Neuwahl hätte Stegners Partei keine Chance auf eine erneute Regierungsbeteiligung. Laut Umfragen können CDU und FDP trotz einiger Verluste mit einer klaren Mehrheit rechnen. Die SPD dagegen ist stark abgerutscht. Ihr Spitzenkandidat Stegner verbucht noch immer deutlich schlechtere Sympathiewerte als sein Widersacher von der CDU.

Die Atmosphäre in dem 2005 gebildeten Regierungsbündnis ist seit Langem schwierig. vor allem in der Haushalts- und Energiepolitik lagen CDU und SPD weit auseinander. Schwer zerrüttet ist das Verhältnis zwischen Carstensen und Stegner, das eine konstruktive Zusammenarbeit weitestgehend blockiert hatte. In Kiel gilt es als ausgemacht, dass die Koalition in erster Linie an dieser Männerfeindschaft zerbrochen ist und nicht aus inhaltlichen Gründen.

Quelle: ZEIT ONLINE, kg, dpa, Reuters

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