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Schleswig-Holstein: Machtspiele in Kiel

Krise um die HSH-Nordbank: Mit einem überraschenden Angebot zu Neuwahlen an die SPD versucht der in die Kritik geratene schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) offenbar, sich Luft zu verschaffen.

Wenn die SPD vorgezogene Wahlen wünsche, werde er sich dem nicht verschließen, ließ der Regierungschef nach tagelangen Querelen innerhalb der CDU-Landtagsfraktion verlauten – der regulärere Wahltermin ist eigentlich erst im Mai 2010.

In der SPD will niemand von solchen Gedankenspielen etwas wissen. „Wir haben einen Regierungsauftrag, und den werden wir bis zum Ende der Legislaturperiode erfüllen“, bezeichnet SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner die CDU-Botschaft als „Theaterdonner“. Der Ball liege jetzt im Spielfeld der Sozialdemokraten, meinte Carstensen zu dem Thema. Die stellvertretende Ministerpräsidentin und zugleich Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave sagte dem Tagesspiegel, der CDU-Vorstoß sei ein „durchsichtiges Manöver, auf das wir uns nicht einlassen werden“. Damit unterstellt sie der CDU einen taktischen Schachzug, um von internen Querelen abzulenken. Innerhalb der Partei war aus der Landtagsfraktion Kritik am Führungsstil Carstensens laut geworden. Mit dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) im Zuge der Frage um das richtige Krisenmanagement in Sachen der schwer angeschlagenen HSH Nordbank und der ohne Rücksprache mit der Fraktion durch Carstensen erfolgten Ernennung des parteilosen Jörn Biel als dessen Nachfolger entlud sich angestauter Unmut am Politikstil des beliebten, aber nicht unbedingt für Inhalte stehenden Carstensen, der am 15. Mai wieder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt werden soll. Über fehlendes Profil der Union zwischen Nord- und Ostsee wurde sinniert. Auch die Staatskanzlei wurde parteiintern für Kommunikationsprobleme verantwortlich gemacht. Carstensen gab inzwischen die Trennung von seinem Regierungssprecher Christian Hauck bekannt. Mehrere Fraktionsmitglieder verstummten mit ihrer Kritik nicht, verschanzten sich aber hinter ihrem Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul, um durch öffentliche Äußerungen keinen vorderen Listenplatz zu riskieren. Wadephul, der sich im September in den Bundestag verabschieden will, wurde nun ob seiner öffentlichen Schelte ein Machtkampf mit Carstensen unterstellt. Die CDU-Bundestagsgruppe tadelte daraufhin die Fraktion in Kiel für ihr Verhalten – die Unionskrise war perfekt. Nach dem Dauerstreit in Kiel spricht die CDU nun von einem reinigenden Gewitter – der Neuwahl-Vorstoß kam da einem Befreiungsschlag gleich. Mehrere CDU-Vertreter haben nach einer Landesvorstandssitzung Geschlossenheit zur obersten Doktrin erklärt.

Seit mehreren Monaten fordert die Opposition von FDP, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband vorgezogene Neuwahlen. Das Oppositionstrio attestierte Carstensen und der großen Koalition, inhaltlich nichts mehr bewegen zu können und vor allem im Umgang mit der Bankenkrise zu versagen. FDP-Oppositionsführer Wolfgang Kubicki bezichtigt jetzt die SPD der Feigheit vor dem Wähler, die Grünen sprechen von fehlender staatsmännischer Verantwortung bei den Sozialdemokraten, vorzeitige Wahlen zu blockieren. Für eine vorzeitige Parlamentsauflösung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die nur mit SPD-Stimmen zu erreichen ist.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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