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Politik: Schluss mit dem Anti-Kurs

Das Gesetz gegen Diskriminierung war für die Union im Wahlkampf unannehmbar – nun trägt sie es mit

Berlin – Im Wahlkampf hatte die Union den rot-grünen Entwurf für das Antidiskriminierungsgesetz noch verteufelt, ein halbes Jahr später setzen CDU und CSU die Pläne nun beinahe unverändert mit der SPD um. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bezeichnete die Einigung, die Anfang der Woche im Koalitionsausschuss gefunden wurde, als „sachgerechten Kompromiss“. Für Diskriminierte stellten die Regelungen eine Hilfe dar, zugleich werde unnötige Bürokratie vermieden, sagte die Ministerin. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer begrüßte, dass sich die Koalitionspartner endlich auf einen „tragfähigen Gesetzesentwurf“ geeinigt haben. Sie warnte im Gespräch mit dem Tagesspiegel davor, den Entwurf im Gesetzgebungsverfahren zu verwässern.

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien geht die große Koalition zum Teil über die europäischen Vorgaben hinaus. Dabei hatte die Union immer betont, sie werde nur eine „Eins-zu-eins“-Umsetzung akzeptieren. Das Gesetz soll nach Angaben des Bundesjustizministeriums bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Bei der FDP stoßen die Pläne auf Kritik. Generalsekretär Dirk Niebel bezeichnete die Verständigung als „Foul von hinten an den Wählern der Union“. Die Bundesregierung steht unter Zeitdruck, weil sie die Fristen deutlich überschritten hat. Dafür war auch die Union verantwortlich: Das rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz scheiterte am unionsdominierten Bundesrat.

An den Inhalten hat sich kaum etwas geändert, neu ist vor allem der Name: „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“ soll das Paragraphenwerk heißen. Damit soll Diskriminierung am Arbeitsplatz und im täglichen Leben verhindert werden. Im Zivilrecht geht das deutsche Gesetz über die EU-Richtlinien hinaus. Es verbietet auch Benachteiligungen wegen des Alters, Behinderung, sexueller Identität und Religion, während die EU-Richtlinien nur vor Diskriminierung wegen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft schützen. Das Gesetz soll verhindern, dass etwa Senioren mit 70 Jahren keinen Bankkredit mehr bekommen oder ein schwules Paar im Hotel kein Doppelzimmer buchen kann. DGB-Vize Engelen-Kefer verteidigte, dass auch für den Bereich des allgemeinen Geschäftsverkehrs umfassend Benachteiligungen verboten würden. „Es ist nicht gerechtfertigt, einem Behinderten zum Beispiel einen Hotelaufenthalt zu verwehren, nur weil er behindert ist“, sagte sie.

Während die Gewerkschaften das Gesetzesvorhaben unterstützen, warnen die Arbeitgeber vor Bürokratie und Rechtsunsicherheit. Engelen-Kefer hält diese Befürchtungen jedoch für unbegründet. „Die Kritik der Arbeitgeberverbände ist unsachlich und unbegründet“, sagte die Gewerkschafterin. Es sei nicht zutreffend, dass Klein- und Mittelunternehmen benachteiligt würden. Engelen-Kefer forderte die Arbeitgeber auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und sich aktiv dafür einzusetzen, Diskriminierung zu vermeiden. „Wir hätten viel erreicht, wenn das Gesetz gar nicht zur Anwendung kommen müsste.“ Sie begrüßte den Vorschlag, dass Bürger im Falle einer Diskriminierung Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen könnten. „Es müssen Sanktionen vorgesehen werden, die wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sind.“ Denn das Ziel müsse sein, „Vorurteile abzubauen, Diskriminierungen im Keim zu ersticken und Benachteiligungen zu vermeiden.“

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