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Schmeicheleien statt Kritik: Obama begrüßt Merkel im Weißen Haus

US-Präsident Obama empfängt Kanzlerin Merkel sehr herzlich. Möglichen Streitpunkten weichen beide geschickt aus. Trotzdem macht Obama klar: Er erwartet einen stärkeren Einsatz der Deutschen in Libyen.

Washington - „Let’s dive right into it“ – das war gestern. Mit dem nüchternen „Lass uns gleich loslegen“ hatte US-Präsident Barack Obama vor rund sieben Monaten ein durchaus spannungsreiches Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem schmucklosen Hotelzimmer am Rande des G-20-Gipfels in der koreanischen Hauptstadt Seoul eröffnet. Beim offiziellen Besuch Merkels am Dienstag in Washington dagegen ging es fast mehr um das festliche Beiprogramm als um knallharte Sachthemen.

Beziehungspflege könnte man das nennen, was Obama und Merkel mit Hilfe von Salutschüssen, Restaurantbesuch und Medaillenverleihung inszenierten. Das deutsch-amerikanische Verhältnis kann eine solche Verjüngungskur gut gebrauchen. Kaum war Merkel am Montagabend gelandet, stand Obama vor ihrer Tür im Gästehaus der US-Regierung – Motorradeskorte inklusive. Er führte die Kanzlerin in das gediegenen Restaurant namens 1789 im Universitätsviertel Georgetown; zwei Stunden dauerte das Dinner.

„Entspannte Atmosphäre“, „gelungener, intensiver und freundschaftlicher Meinungsaustausch“, jubelte anschließend die deutsche Delegation. Selbstverständlich brachte der Präsident sein Date anschließend auch wieder nach Hause.

Das Verwöhnprogramm wurde am Dienstag fortgesetzt. 19 Salutschüsse im Garten des Weißen Hauses, Ehrenformation, Nationalhymnen, Musik vom Fife and Drum Corps. Das volle Programm. Ein Staatsbesuch, der nur deswegen streng genommen nicht so heißen darf, weil Merkel kein Staatsoberhaupt ist. Wie die Kanzlerin wurden von Obama zuvor nur drei Gäste im Weißen Haus begrüßt, keiner von ihnen ein Europäer, wie der Präsident selbst hervorhob.

Deutschland sei „einer unser engsten Verbündeten“, lobte er und schob auf Deutsch hinterher: „Herzlich Willkommen.“ Merkel zeigte sich beeindruckt von dem „überwältigenden Empfang“. Sie revanchierte sich für die Ehrenbekundungen mit dem auf Englisch vorgetragenen Satz, Deutschland und Europa hätten „keinen besseren Partner als Amerika“. Die transatlantische Partnerschaft gehöre ebenso zur deutschen Staatsräson wie die Europäische Einigung. „Beides sind und bleiben Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik“, sagte Merkel.

Doch all die Beteuerungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zuletzt um die Beziehungen zwischen Berlin und Washington nicht zum Besten stand. Jüngste Irritation war die Abstimmung über den Libyeneinsatz im UN-Sicherheitsrat, als Deutschland sich im Gegensatz zu den Verbündeten enthielt. Obama steht wegen der Beteiligung an dem Einsatz in Libyen inzwischen innenpolitisch unter Druck, Merkel wurde Unzuverlässigkeit als Bündnispartnerin vorgeworfen. Allerdings soll eine deutsche Beteiligung an einem zivilen Wiederaufbau in Libyen nicht nur in dem umkämpften Land die Wunden heilen, sondern auch außenpolitische Scherben kitten helfen.

Inhaltlich auch längst nicht überwunden ist der Streit, der schon im Hotelzimmer von Seoul die Stimmung vermieste. Damals stritten Deutschland und die USA in aller Öffentlichkeit um den besten Weg aus der Wirtschaftskrise. Obama wollte mehr Taten bei der Ankurbelung der Binnenkonjunktur sehen, die Kanzlerin pochte dagegen auf die Sanierung der Haushalte. Ziemlich schonungslos ging es damals zur Sache. Der Ton ist inzwischen moderater geworden.

Allerdings kann Merkel auf eine brummende deutsche Konjunktur verweisen, während die Ratingagentur Moody’s vor kurzem die US-Regierung wegen ihres horrenden Haushaltsdefizits vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA warnte.

Die Freiheitsmedaille, von deren Verleihung Merkel ausgerechnet während jener denkwürdigen Begegnung in Seoul erfuhr, ist quasi der krönende Abschluss des US-Besuchs. Bewertet wird die feierliche Übergabe des fünfzackigen Sterns aber nicht nur als Auszeichnung für die Vergangenheit. Deutschland-Experten auf beiden Seiten des Atlantiks sehen in der Medaille auch eine Art Investition in die Zukunft. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sprach von einer „Auszeichnung an einen Partner, den man sich wünscht, aber den man wohl zurzeit noch nicht hat“.Ellen Hasenkamp (AFP)

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