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Hilfreich: Geburtshelferinnen behalten vorerst ihren Versicherungsschutz. Doch nach Ansicht der Hebammen ist die jetzige Lösung nur „Stückwerk“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neue Versicherer gefunden: Schonfrist für Hebammen

Mehrere große Versicherer wollen die freiberuflichen Geburtshelferinnen nun doch absichern Aber das Angebot gilt nur bis Mitte 2016 – und es beinhaltet erneut eine deutliche Prämiensteigerung.

Die freiberuflichen Hebammen werden auch im nächsten Jahr nicht ohne Versicherungsschutz dastehen. Auf heftigen politischen Druck hin haben sich neben der Versicherungskammer Bayern und der R+V nun fünf weitere Versicherer bereit erklärt, an der Absicherung der Geburtshelferinnen mitzuwirken. Doch von Jubel sind die Betroffenen weit entfernt. Das Angebot gelte nur bis Juli 2016, sagte die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), Martina Klenk. Und es sei mit einer weiteren Prämiensteigerung um 20 Prozent verbunden. Die in der Geburtshilfe tätigen Hebammen müssten für ihre vorgeschriebene Haftpflichtversicherung dann mehr als 6000 Euro im Jahr bezahlen.

Kostenanstieg um fast 80 Prozent

Vor zwei Monaten hatte die Nürnberger Versicherung ihren Ausstieg aus dem Versicherungskonsortium angekündigt. Sie ist bisher mit 20 Prozent an der Gruppenversicherung für die Hebammen beteiligt, weitere Partner sind die Bayerische Versicherungskammer (50 Prozent) und die R+V (30 Prozent). Ihren Rückzug hatten die Nürnberger mit dem Kostenrisiko begründet. Dem Versicherungsverband GDV zufolge stiegen die Ausgaben für schwere Geburtsschäden pro Kind zwischen 2003 und 2012 um fast 80 Prozent.

In die Bresche springt nach Angaben des Maklerunternehmens Securon nun die Allianz, die Axa, die Ergo, die Württembergische und die Debeka - mit Mini-Anteilen zwischen zwei und vier Prozent. Auch eine Rückversicherungslösung durch die öffentlichen Versicherer soll es geben. Unterschrieben sind die Verträge allerdings noch nicht.

Druckmittel der Politik

Von einem „sehr mühsamen Gerangel“ sprach Verbandspräsidentin Klenk – und dass sich die Kanzlerin höchstselbst habe einschalten müssen. Er habe erfolglos bei 150 Versicherern angeklopft und am Wochenende erneut mit 21 Assekuranzen verhandelt, sagte Securon-Makler Bernd Hendges dem Tagesspiegel. Die jetzt gefundene Konstellation sei nur durch politischen Druck zustande gekommen und zeige, „wie schwierig die Situation in diesem Segment ist“. Die meisten Versicherer fühlten sich außerstande, das Risiko ständig steigender Regressforderungen zu tragen. Und ohne staatliche Maßnahmen, so Hendges an, würden die nun eingesprungenen Versicherer Mitte 2016 auch wieder aussteigen. Zudem seien die Prämien von den Hebammen kaum mehr zu finanzieren und die Deckungssummen mit sechs Millionen Euro eigentlich „zu knapp bemessen“.

Tatsächlich hat die Politik ordentlich mitgemischt - und durch den Wunsch der Branche nach niedrigeren Gewinnbeteiligungen für Lebensversicherungen hatte sie auch ein starkes Druckmittel in der Hand. Wohl nicht zufällig handelt es sich bei den Obersten von zwei der nun beteiligten Assekuranzen auch um wichtige, auf politisches Wohlwollen angewiesene Lobbyisten. Debeka-Chef Uwe Laue steht an der Spitze des Verbands der privaten Krankenversicherer (PKV). Der Vorstandsvorsitzende der Württembergischen, Alexander Erdland, ist Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Insbesondere in der Union hatte die Verweigerungshaltung der Versicherer gegenüber den Hebammen viele erbost. Wegen der Proteste von Unterstützergruppen stehen Abgeordnete in ihren Wahlkreisen unter Druck. Auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) suchte mehrmals das Gespräch mit den Versicherern. Er gehe davon aus, sagte er im Bundestag, dass sich die Versicherungswirtschaft ihrer Verantwortung hinsichtlich neuer Gruppentarife für die Hebammen bewusst sei.

Kritik an neuer Prämiensteigerung

In Gröhes Ministerium wollte man die Versicherungslösung bisher weder bestätigen noch kommentieren. Es sei „wichtig, schnell zu einer seriösen Lösung zu kommen, damit die wertvolle Arbeit der Hebammen langfristig sichergestellt“ werde, sagte ein Sprecher lediglich. Von den Grünen kam Kritik. Für die angekündigte weitere Steigerung der Haftpflichtprämien hätte es des Ministers und seiner Gespräche nicht bedurft, lästerte die Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg. „Das schaffen die Versicherungsunternehmen seit Jahren ganz alleine.“

Die Versicherungswirtschaft habe „ihre Hausaufgaben gemacht“, meinte dagegen Hendges dem Tagesspiegel, nun sei der Minister am Zuge. Auch Verbandschefin Klenk drängt den Politiker. Sie hoffe, dass Gröhe den Zeitgewinn für eine tragfähige Lösung nutze, sagte sie. Die Versichererlösung sei nur „Stückwerk“. Sie werde den Berufsstand nicht aus der Krise führen, sondern beschere ihm, wenn nicht mehr komme, „ein Sterben auf Raten“. Ein weiterer Prämienanstieg werde „definitiv zum Zusammenbrechen der geburtshilflichen Versorgung“ in weiten Teilen Deutschlands führen.

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