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Politik: Schrauben locker bei der Bundeswehr

Unbekannte manipulieren seit Monaten Fahrzeuge der Armee, es gab schon einen schweren Unfall

Berlin - In einer Kurve der Autobahn merkte der Fahrer des Mungo, dass etwas nicht stimmte. Das Spezialfahrzeug der Fallschirmjäger der Bundeswehr ließ sich schwerer lenken als sonst, dann löste sich plötzlich ein Reifen. Dem Fahrer gelang es, den Mungo zum Stehen zu bringen. Die Soldaten untersuchten den Wagen und entdeckten, dass die Radmuttern herausgedreht worden waren. Sie machten Meldung. Im Verteidigungsministerium wurde ein weiterer Fall vermerkt.

Die Liste des Ministeriums über solche Manipulationen an Fahrzeugen ist inzwischen lang. Viele Soldaten haben seit dem Frühjahr gemeldet, dass sich Unbekannte an ihrem privaten Auto oder an Dienstfahrzeugen zu schaffen gemacht hätten. Die Radmuttern waren gelöst worden, manchmal vollständig, in anderen Fällen gerade so weit, dass sie – und damit auch der Reifen – während der Fahrt abspringen sollten. Einmal kam es bereits zu einem schweren Unfall, als ein Soldat die Kontrolle über seinen manipulierten Wagen verlor. Inzwischen hat das Verteidigungsministerium alle Angehörigen der Bundeswehr über „diese besondere Gefahr“ informieren lassen und dazu aufgerufen, vor jedem Fahrtbeginn die Reifen zu kontrollieren. Die Streifen in den Kasernen sind verstärkt worden, Parkplätze außerhalb des Sicherheitsbereichs werden stärker überwacht.

Stecken linksextremistische Gruppen dahinter? Oder gibt es eine unglückliche Verkettung von Zufällen? Ist es gar Sabotage von innen? Die Bundeswehr und Ermittlungsbehörden in ganz Deutschland stehen vor einem Rätsel. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, heißt es im bayerischen Innenministerium – aus Bayern wurden nach Darstellung des Verteidigungsministeriums viele Fälle gemeldet. Doch eine gesonderte Statistik für Manipulationen an Bundeswehrfahrzeugen wird in dem Bundesland nicht geführt. Die Fälle landen bislang unter der Rubrik Sachbeschädigung an Pkw – darum handelt es sich, solange das manipulierte Fahrzeug nicht fährt – zusammen mit Fällen eingeschlagener Autoscheiben und abgerissener Seitenspiegel. Deutschlandweit wird nicht ermittelt und damit werden auch die Taten nicht verglichen.

Die Ermittler stehen vor mehrerenProblemen: Bekennerschreiben gibt es nicht und noch nie wurde ein Täter auf frischer Tat erwischt. Wenn das Fahrzeug viel bewegt wird, ist der Tatort zudem kaum festzustellen. Wie viele Fälle es exakt gab, teilt das Ministerium unter Verweis auf laufende Ermittlungen nicht mit. Die Zahl habe sich aber dramatisch erhöht, sagt ein Sprecher. Mehr als 80 Fälle wurden allein in den ersten Monaten dieses Jahres zur Anzeige gebracht. In rund 90 Prozent seien Privatautos von Bundeswehrangehörigen zum Ziel geworden;vom Obergefreiten bis zum Oberstleutnant seien alle Dienstgrade betroffen.

Ein politisches Motiv für die Taten schließt das Ministerium nicht aus. Im Verdacht stehen linksextreme Gruppen. Sie haben in der Vergangenheit mehrfach Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge verübt. In einem ihrer Faltblätter mit dem Titel „Feinderkennung“ heißt es: „Soldaten sind keine normalen Angestellten. Sie sind dafür da, sich töten zu lassen und zu morden. Sie sind Mörder.“ Die Autoren fordern, „Soldatinnen und Soldaten nicht in Ruhe zu lassen“ und „sie anzupöbeln, zu denunzieren, anzugreifen“.

In Soldatenforen und Bundeswehr-Blogs im Internet diskutieren User über die Vorfälle. Auch seine Einheit sei betroffen gewesen, berichtet ein Soldat. Da es sich jedoch um eine Heimfahrt am Freitag gehandelt habe, komme auch ein Täter von innerhalb der Truppe infrage.

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