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Politik: Schritt für Schritt zurück

Unter Janukowitsch macht die Ukraine rückgängig, was die Demokratiebewegung erreicht hat.

Danzig - Am Vorabend der ukrainischen OSZE-Präsidentschaft wächst die Kritik an der Menschenrechtslage im Land. „Die Ukraine steuert auf eine Diktatur zu“, warnt Jewgenija Timoschenko, die Tochter der weltweit vielleicht bekanntesten politischen Gefangenen. Seit mehr als einem Jahr sitzt ihre schwerkranke Mutter hinter Gittern. Die westorientierte ukrainische Ex-Premierministerin Julia Timoschenko soll bei Gaslieferverhandlungen mit Russland ihr Amt missbraucht haben und sitzt dafür eine siebenjährige Haftstrafe ab. In ihrer Zelle wird sie rund um die Uhr überwacht und gefilmt. Auch Timoschenkos einstiger Innenminister, Jurij Lutsenko, sitzt in Haft. Er soll seinem Fahrer einen zu hohen Lohn bezahlt und rechtswidrig eine Dienstwohnung beschafft haben. Die Schadenssumme von ein paar tausend Euro reichte in seinem Fall für vier Jahre Haft.

Trotz massiver Kritik wegen selektiver Justiz, die nur das einstige orangene Regierungslager betrifft, nicht aber korrupte Amtsträger aus dem Umfeld von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, sieht die Ukraine kein Problem, wenn sie am 1. Januar den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernimmt. „Wir wollen das Ansehen der OSZE als Organisation, die Frieden und Stabilität sichert, wiederherstellen“, verkündete ein Sprecher des neuen Außenministers Leonid Koschara in Kiew.

Die zunehmend autoritär regierte Ukraine hat sich über Weihnachten eine neue Regierung gegeben, die noch stärker als bisher vom Kreis des Staatspräsidenten Janukowitsch dominiert wird. Dessen „Partei der Regionen“ hat sich in einer ausgerechnet von der OSZE scharf kritisierten Wahl Ende Oktober erneut die Mehrheit im Parlament gesichert. Zwar sitzen mit Boxweltmeister Vitali Klitschko und Arsenij Jatsenjuk bekannte Oppositionelle im Parlament. Doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt, seitdem es Janukowitsch gelungen ist, die elektronischen Medien praktisch gleichzuschalten.

Der einstige Wahlfälscher Janukowitsch, der 2004 die „orange Revolution“ provozierte, hat vor knapp zwei Jahren die letzten fairen Wahlen in der Ukraine für sich entschieden und das einflussreiche Präsidentenamt erobert. Seitdem werden die Errungenschaften der Demokratiebewegung Schritt um Schritt zurückgebaut. Noch schwankt die Ukraine zwischen Ost und West. Während Außenminister Koschara sofort nach Brüssel reiste und dort eine weitere Annäherung an die EU versprach, schloss Premierminister Mykola Asarow in Kiew den Beitritt der Ukraine zur Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan nicht mehr aus.

Optimisten immerhin gibt es auch. Die erhoffen sich unter dem ukrainischen OSZE-Vorsitz Bewegung im eingefrorenen Konflikt um die abtrünnige moldawische Region Transnistrien an der Westgrenze der Ukraine, die sich seit zwanzig Jahren mit russischer Unterstützung als de facto unabhängiger Staat behauptet. Paul Flückiger

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