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Politik: Schröder macht einsam

DEUTSCHE IRAK-POLITIK

Von Christoph von Marschall

Erstaunlich, wie gelassen das Land ist, geradezu beängstigend. Oder ist es gelähmt? Fast jeder Tag bringt neue Belege, wie gefährdet Deutschlands Ansehen und Einfluss in der Welt sind. Von Kanzler Schröders selbstbewusster Zusicherung, er könne sich bei seiner AntiKriegs-Haltung auf eine breite Koalition stützen, ist nicht mehr viel übrig. Angebliche Verbündete wenden sich ab, selbst Paris. Die namhaften Außenpolitiker, auch die der SPD, hatten seit langem gewettet, auf Frankreichs Schulterschluss sei im Zweifel kein Verlass. Diese Wende ist nun absehbar. Die anderen großen Länder Europas, Großbritannien, Spanien und Italien, hielten in der Irak-Frage immer Distanz zu Berlin.

Die neuen Partner in Ostmitteleuropa, auf deren Loyalität Deutschland rechnete, weil es für ihre Integration in die Nato und die EU eingetreten war, haben sich der wachsenden Koalition mit Amerika angeschlossen. Inzwischen haben zehn von ihnen Unterstützung angeboten. Tschechien und die Slowakei steuern Abwehrkräfte für Giftgas und Biowaffen bei. Wenn es zum Irak-Krieg kommt, stehen die Spezialisten des früheren Warschauer Pakts an Washingtons Seite. Die Bundesrepublik, deren Freiheit und Sicherheit von Amerika und der Nato abhing, zögert noch, in welchen Fällen ihre ABC-Abwehr in Kuwait helfen darf.

Wohin das alles führt? Zu Deutschlands Isolation – in Europa und der Welt. Nie in den letzten 50 Jahren stand die Bundesrepublik so allein da. Das ist ein Desaster für ein Land, dessen Selbstverständnis auf der Integration in europäische und transatlantische Strukturen beruht. Es bedeutet ein Scheitern seiner Außen- und Wirtschaftspolitik, die doch so sehr auf Einbindung in Koalitions- und Vertragssysteme ausgerichtet ist und Alleingänge strikt ablehnt.

Rumsfelds bitterböser Vergleich mit Kuba und Libyen ist verletzend und überzogen, wie schon seine Unterteilung in ein altes Europa, das blockiere, und ein neues Europa, das Probleme lösen helfe. Aber diese Bundesregierung darf da, erstens, nicht empfindlich sein; sie selbst konnte der Versuchung nicht widerstehen, Bush und Saddam auf eine Stufe zu stellen und so zu tun, als sei die große Demokratie Amerika das Problem und nicht der Irak. Zweitens muss sie sich fragen, ob Rumsfelds Vorwürfe im Kern so abwegig sind. Und ob vielleicht Deutschland etwas falsch macht und nicht Amerika, wenn es so einsam um uns wird.

Die geopolitischen Koordinaten haben sich gegenüber Kosovo 1999 verschoben. Damals wollten Europa und Amerika handeln, China und Russland blockierten den Sicherheitsrat mit Veto-Drohungen. Heute tun sie das nicht. Paris hat taktiert, um Einfluss zu nehmen, wird aber am Ende mitmachen, weil das noch mehr Einfluss garantiert: auf die Entwicklung im Irak und in der Region.

Das alles war vorhersehbar – und ist dem Kanzler und seinem Außenminister von den Experten auch so vorhergesagt worden, falls Schröder auf seinem Weg beharrt. Er aber hat es vorgezogen, die Irak-Frage für die Innenpolitik zu missbrauchen. Nicht nur im Sommer. Bis heute zeigt er sich unfähig zur Korrektur. Was tut Joschka Fischer, der Vize-Kanzler, um Deutschland vor dem außenpolitischen Ernstfall zu bewahren? Der beliebteste deutsche Politiker muss nicht fürchten, dass Schröder die Koalition kündigt. Oder ihm. Fischer kann Deutschland noch einmal Spielraum verschaffen – nur er. Und er weiß es.

Der Fehler ist nicht, dass die Bundesregierung den Krieg für falsch hält. Sondern dass sie Deutschland zum Kronzeugen gegen seine wichtigsten Verbündeten macht, ohne Gegenkonzepte anzubieten. Und sich so isoliert. Sie schwächt die Drohkulisse und verringert die Chance, dass Saddam nachgibt. Schröder tut nichts, um ihn zum Gang ins Exil zu bewegen. Oder ein alternatives System verlässlicher Rüstungskontrolle aufzubauen und zu finanzieren.

Die Opposition steht nicht viel besser da. Solange sie fürchtete, das Thema Irak könne Wahlen entscheiden, vermied sie die Festlegung. Erst jetzt, nach den Siegen in Hessen und Niedersachsen und der Erfahrung, dass das Thema nicht mehr zieht, stellt sie sich auf Amerikas Seite. Eine gespenstische Ruhe liegt über Deutschland. Es hat sich selbst eingeschlossen. Dabei steht fest: Wir müssen da raus.

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