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Politik: Schüsse gegen die Hoffnung

Der Duma-Abgeordnete Juschenkow ist ermordet worden. Er wollte Russlands demokratische Opposition einen

Die Bilder gleichen sich, die Motive auch: Am Donnerstag ist in Moskau der demokratische Duma-Abgeordnete Sergej Juschenkow erschossen worden. Ein Interessenkonflikt rivalisierender Mafia-Banden scheidet aus. Der 53-Jährige war kein Geschäftsmann, galt sogar politischen Gegnern als integer und hatte sich als Gegner des Tschetschenienkrieges einen Namen gemacht.

Ein Profil, das auch auf die außerhalb Russlands bekanntere Gesinnungsgenossin Juschenkows passt – Galina Starowojtowa. Sie wurde schon im November 1998 auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnung in St. Petersburg erschossen. Seither war Juschenkow die letzte Hoffnung für die Demokraten der ersten Stunde, die im gegenwärtigen Russland eher ein Schattendasein fristen.

Juschenkows politische Laufbahn begann der 53-jährige Marxismus-Dozent an einer Offiziersschule während der Perestroika. 1991 gehörte er zu den Gründern der Reformpartei „Wahl Russlands“ um den damaligen Premier Jegor Gaidar, die bei den Massen nach Hyperinflation und verkorkster Privatisierung durchfiel. Auch seine neue, 2001 gegründete Partei „Liberales Russland“, die auf westliche Demokratie und marktwirtschaftliche Reformen setzt, hatte Startprobleme: Pate war zunächst der in Ungnade gefallene Multimilliardär Boris Beresowskij. Die Zulassung durch das Justizministerium zog sich über Monate hin. Den Ukas bekam Juschenkow vier Stunden vor seiner Ermordung.

Zum Verhängnis wurden ihm indes wohl nicht die Millionen des Oligarchen, von dem sich die Partei inzwischen getrennt hat, sondern Pläne für die Kooperation der bisher hoffnungslos zerstrittenen Demokraten und Reformer bei den Wahlen im Dezember. Nach bisherigen Umfragen schaffen nur die kremlnahe Partei „Einiges Russland“ und die KP sicher den Einzug in die neue Duma. Alle anderen dümpeln gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde vor sich hin. Juschenkow indessen hatte, wie ein mit ihm befreundeter Journalist vom russischen Dienst des US-Auslandssenders „Radio Liberty“ berichtet, erfolgreiche Verhandlungen mit mehreren Reformbewegungen über gemeinsame Kandidaten geführt – darunter mit der sozialliberalen „Jabloko“ von Grigorij Jawlinskij und den Radikalreformern aus der „Union der Rechten Kräfte“. Immerhin die Hälfte der 450-Duma-Sitze wird über Direktmandate vergeben. Die jeweils chancenreichsten Bewerber sollten im Internet über Vorwahlen ermittelt werden. Dazu hatte Juschenkow in regionalen Medien eine extrem erfolgreiche Werbekampagne geschaltet.

Die Schüsse sind ein herber Schlag für Putin. Politische Morde passen nicht zu dem Bild einer gesellschaftlichen Konsolidierung. Hoffnungen, die Drahtzieher des Juschenkow-Mordes zu finden, sind begrenzt.

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