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Politik: Schützen durch Fangen?

Trotz bedrohter Bestände darf in der EU mehr Kabeljau gefischt werden

Selbst eine Nachtsitzung hat nicht gereicht. Bis sich die EU-Fischereiminister auf die Fangquoten für das nächste Jahr einigen konnten, ist es beinahe Freitagmittag geworden. Zu Beginn der Beratungen am Mittwoch hatte EU-Fischereikommissar Franz Fischler von einer „ersten Bewährungsprobe“ für die neue europäische Fischereipolitik gesprochen. Im vorigen Jahr hatten sich die Minister darauf geeinigt, dass sie die Fangquoten künftig nach nachhaltigen Kriterien festlegen wollten. Dass also nicht mehr Fische gefangen werden sollten, als nachwachsen können. Außerdem sollten für besonders bedrohte Speisefischarten langjährige Wiederaufbaupläne entworfen werden.

Für den Kabeljau, dessen Bestand in der Nordsee kurz vor dem Zusammenbruch steht, sollte bis Juni ein solcher Plan beschlossen sein. Doch erst jetzt, beim Fischereirat, ist dieser Langzeitplan tatsächlich verabschiedet worden. Als Ziel gab Fischler ein Wachstum der Bestände um jährlich 30 Prozent aus. Anstatt jedoch, wie von Wissenschaftlern empfohlen, ein generelles Fangverbot für den Kabeljau auszusprechen, einigten sich die EU-Fischereiminister darauf, im kommenden Jahr 27 000 Tonnen zum Fang freizugeben. Damit liegt die Quote sogar etwas höher als in diesem Jahr. Der Wiederaufbauplan sieht gleichzeitig vor, dass die Kommission Laichgebiete des Kabeljaus zeitweise für die Fischerei schließen darf. Das hatte vor allem die deutsche Fischereiministerin Renate Künast (Grüne) gefordert, nachdem klar war, dass es für ein generelles Fangverbot keine Mehrheit geben würde. Zwar hat die EU einen ähnlichen Beschluss bereits 2001 gefasst. Diesmal soll er jedoch kontrolliert werden, verspricht EU-Fischereikommissar Franz Fischler.

Fischler bewertet den Kompromiss dennoch positiv: „Wir haben den Test bestanden.“ Auch Künast lobt die langfristige Ausrichtung der Wiederaufbaupläne auch für Scholle und Seehecht. Dagegen sieht die Fischereiexpertin des World Wide Fund for Nature (WWF), Heike Vesper, schwarz: „Die Minister haben die letzte Chance verpasst, den Kabeljau noch zu retten.“ Wie die Bestände mit einer so hohen Fangquote um 30 Prozent jährlich wachsen sollen, „erschließt sich mir nicht“. Zumal auch bei der Schollenfischerei Kabeljau mitgefangen wird, als Beifang. Vespers Fazit: „Jetzt müssen die Minister auf ein Wunder hoffen. Es ist ja bald Weihnachten.“

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