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Schuldenbremse: Bloß nicht – oder jetzt erst recht?

Die Konjunkturpolitik entzweit die Experten: Welche Maßnahmen sind richtig? Ökonomen über die Schuldenbremse.

„Das wäre ein denkbar schlechter Start“, sagt Gustav Horn und meint die kräftiger wirkende Schuldenbremse im Grundgesetz, die einzuführen die große Koalition am Montag beschlossen hat. Denn der Zeitpunkt sei völlig falsch gewählt, meint der Leiter des Instituts für Markroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Es sei schwer vermittelbar, genau in dem Moment eine solche Schuldenregelung einzuführen, wenn gleichzeitig für die Konjunkturprogramme die Staatsverschuldung wieder erheblich vergrößert werde. „Die Politik gibt dadurch eine vermischte Botschaft, welche die Bürger nur verwirrt“, sagte Horn dem Tagesspiegel. Besser wäre es, die Schritte nacheinander zu tun: erst die aktuelle Krise zu lösen, was ohne Neuverschuldung nicht gelinge, und danach daran zu gehen, neue Regeln für die künftige Neuverschuldung einzuführen. Horn verweist auf das Beispiel der Schweiz: Dort habe man vor einigen Jahren ebenfalls eine strikte Schuldenbremse beschlossen, aber sie schon kurz nach Einführung wegen der konjunkturellen Lage wieder aussetzen müssen. Das stärke das Vertrauen in die Politik nicht. „Man kann eine Schuldenbremse nicht in dem Moment einführen, in dem ihre Ausnahmeregeln angewendet werden müssten“, sagt Horn.

Kai Konrad, Wirtschaftswissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Professor an der FU, widerspricht der Einschätzung von Horn. „Ich teile die Ansicht derer, die sagen: jetzt erst recht“, sagte Konrad dem Tagesspiegel. Der Termin für die Einführung der Schuldenbremse sei „ideal“, weil sie dem Bürger signalisiere, dass die Politik auch in Zeiten wieder höherer Verschuldung an der langfristigen Konsolidierungspolitik festhalten wolle. Die Bürger hätten angesichts der Konjunkturprogramme die Befürchtung, am Ende wieder eine zu hohe Zeche zahlen zu müssen – diese Angst werde durch das Signal der Schuldenbremse genommen. „Das verleiht der Konjunkturpolitik mehr Glaubwürdigkeit und stärkt das Vertrauen in die Politik“, sagt Konrad.

Gewerkschaftsökonom Horn hat indes nicht nur Zweifel am Zeitpunkt, sondern auch ganz konkret am Modell von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), das in der zuständigen Föderalismuskommission die Grundlage der Debatte über eine Schuldenbremse ist.  „Mangelnde Flexibilität“ sei dessen Kernproblem, mit dem Steinbrück-Vorschlag könne die Politik nicht stark genug auf konjunkturelle Schwankungen reagieren. Horn hält es für besser, wenn sich der Staat einen strikten „Ausgabenpfad“ auferlegt (ein Plus von nur zwei bis 2,5 Prozent pro Jahr), um dadurch in besseren Jahren in der Lage zu sein, Schulden abzubauen. Die Politik müsse zudem konsequenter als in der Vergangenheit antizyklische Politik betreiben. Die große Koalition habe seit 2005 durchaus gezeigt, wie es gehe: „Sie hat Keynes im Aufschwung richtig angewendet und den Haushalt konsolidiert – ob sie es auch im Abschwung schafft, wird sich zeigen.“

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