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In der Kreide: Auf 1,5 Milliarden Euro belaufen sich inzwischen die Beitragsschulden bei den Krankenversicherern.

© dpa

Schuldenschnitt für Krankenversicherte: Aus der Not heraus

Nichtversicherte können sich bis Ende des Jahres bei einer Krankenkasse anmelden, ohne Nachzahlungen befürchten zu müssen. Und der Strafzins für Beitragsrückstände sinkt von fünf auf ein Prozent im Monat.

Die Verordnung mit dem schönen Namen ist keines der üblichen Wahlgeschenke. Sie ist aus der Not geboren. Der Not von einer halben Million Menschen, die wegen ihrer Krankenkassenkosten immer tiefer in die Schuldenfalle rutschen. Und der Not der Versicherer, die es auch mit noch so viel Druck nicht schaffen, ihre Außenstände hereinzuholen. Mittlerweile beträgt der unfreiwillige Kassenkredit 1,5 Milliarden Euro.

Mit dem jetzt in Kraft getretenen „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung“ soll alles besser werden. Langjährige Beitragsschuldner müssen nicht mehr fürchten, im Ruin zu enden. Nichtversicherte können sich absichern, ohne horrende Nachzahlungen aufgebrummt zu bekommen. Und die Versicherer haben sich zwar mit Verlusten abzufinden. Dafür aber steigt die Chance auf bessere Zahlungsmoral. Und dass sie doch noch einen Teil des entgangenen Geldes wiedersehen.

Überfällig ist der Abschied vom bisherigen Wucherzins. Auf fünf Prozent belief sich der Säumniszuschlag, mit dem gesetzliche Kassen ihre Schuldner bisher zu sanktionieren hatten. Pro Monat, nicht pro Jahr! Er sinkt nun auf ein Prozent – und zwar rückwirkend. Zudem sollen Beitragsschulden gestundet oder ganz erlassen werden. Bis Mitte September haben sich die Kassen auf ein einheitliches Vorgehen zu verständigen. Sie zum kompletten Schuldenschnitt zu verdonnern, ging den Regierenden offenbar zu weit. Schließlich könnte das als Belohnung fürs Schuldenmachen verstanden werden. An die Ungerechtigkeit gegenüber denen, die mühsam Rückstände beglichen oder sich für ihre Beitragszahlungen krummgelegt haben, hat die Opposition schon erinnert.

Eine Schuldnergruppe darf dennoch bei Null anfangen: die knapp 150 000 Nichtversicherten. Eigentlich dürfte es die gar nicht mehr geben. Seit April 2007 besteht Krankenversicherungspflicht. Um die durchzusetzen, hatte man den Bürgern gedroht: Wer ohne ertappt werden sollte, hatte für die versicherungslose Zeit alle Beiträge nachzuzahlen. Samt Strafzins. Für viele war das Grund genug, unversichert zu bleiben. Und weiter einen Bogen um sozialversicherungspflichtige Jobs zu machen.

Diesen bisher Chancenlosen werden Schulden und Strafzins komplett erlassen, wenn sie sich bis Ende 2013 versichern. Und für die Problemklientel der Privatkassen wurde ein „Notlagentarif“ erfunden, der wenig kostet, nur das Allernötigste abdeckt, aber auch rückwirkend gilt – und die Schuldenlast verringert. Wenn alles abgestottert ist, dürfen die Billigversicherten dann wieder zurück in einen Normaltarif.

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