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Kanzlerin und Schatzmeister: Wolfgang Schäuble (links) steht Steuersenkungen skeptisch gegenüber. Die Liberalen kommentieren dies jetzt zurückhaltender.

© Wolfgang Kumm/dpa

Schwarz-Gelb: Steuersenkungen: Abwarten bis Herbst

Die Verwirrung um Steuersenkungen ist groß. Thüringens Regierungschefin findet die eigenen Leute "irre". Nun wird selbst die FDP konzilianter.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Eine ganze Woche lang hat sich die CDU-Ministerpräsidentin von Thüringen angesehen, wie ihre Parteispitze in Berlin eines der für schwarz-gelbe Regierungsbündnisse prägendsten Themen vorbereitete. An diesem Montag dann konnte die gelernte Pastorin Christine Lieberknecht nicht mehr an sich halten. Auf dem Weg in die Parteizentrale, das Berliner Konrad-Adenauer-Haus, qualifizierte sie die Debatte zwischen FDP, CDU und CSU um die Vorbereitung einer Steuerentlastung für die zweite Hälfte der Legislaturperiode kühl und klar mit einem kleinen Wörtchen ab: „irre“.

Was die Erfurterin irre findet, hat Angela Merkel gleich zu Beginn der CDU-Präsidiumssitzung selbst angesprochen und gesagt, was nur zu offensichtlich ist: Kommunikativ sei das Thema von der Koalition nicht besonders klug gehandhabt worden. In der Sache gab die CDU-Chefin einerseits dem Finanzminister recht – selbstverständlich habe die Konsolidierung der Haushalte weiter Vorrang –, andererseits habe sich diese christlich-liberale Koalition eine Steuersenkung schließlich in ihren Koalitionsvertrag schreiben lassen. „Darüber muss man dann auch mal nachdenken dürfen“, sagte Merkel.

Das soll die CDU-Spitze auch, allerdings erst in der nächsten Sitzung am kommenden Montag. Generalsekretär Hermann Gröhe hat dem später öffentlich noch hinzugefügt, dass das CDU-Präsidium Wolfgang Schäuble umfassend ernst nehme. Das gelte sowohl für dessen Erinnerung an die Sparziele als auch für die Linie, dass eine steuerliche Entlastung zuallererst die unteren und mittleren Einkommen begünstigen und im Bereich der kalten Progression ansetzen solle. „Das Ziel ist ebenso klar in den Augen wie der Vorrang der Konsolidierung“, formulierte Gröhe. Für alles andere – Umfang, Zeitpunkt und andere Details der Entlastung – sei jede Debatte „verfrüht“, weil sowieso klar sei, dass die Reform nicht schon zum 1. Januar 2012 in Kraft treten werde. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister drückt das nach der Sitzung etwas drastischer aus: „Das ist doch alles im Moment eine virtuelle Debatte!“ Es sei ja noch nicht einmal geklärt, ob so eine Steuersenkung die Länder überhaupt betreffen solle oder nicht. Damit scheint eines aber klar in der neuesten Auflage der schwarz-gelben Steuersenkungsdebatte: An der Spitze – namentlich bei Kanzlerin Merkel und FDP-Vizekanzler Philipp Rösler – war und ist man sich noch immer einig: Die Belastung für kleine und mittlere Einkommen soll gesenkt und die Schuldenbremse trotzdem eingehalten werden. Wegen befürchteter Komplettverwirrung der eigenen Leute und inhaltlich vollkommen ungelöster Fragen will Merkel und will ihre Parteispitze das Projekt allerdings kurzfristig in der Versenkung verschwinden lassen. Vorlage frühestens im Herbst, wenn der Rauch verzogen ist und man mit konkreten – und vor allem abgestimmten – Zahlen und Plänen aufwarten kann.

Auch in der FDP war der Ton am Montag versöhnlicher, auch wenn die Liberalen in der Sache hart blieben. Generalsekretär Christian Lindner sagte nach der FDP-Präsidiumssitzung: „Wir sind jetzt auf einer Ebene, wo die Chefs sprechen. Und die Chefs haben sich darauf verständigt, dass etwas kommt.“ Auf neuerliche Diskussionen über Wege zur Steuersenkung oder gar den gewünschten Umfang ließ sich die Liberalen-Spitze allerdings nicht ein. Durch allerlei Debatten über mögliche Entlastungswege und Volumina hatten auch FDP-Leute in den Vortagen zur allgemeinen Verwirrung der Öffentlichkeit beigetragen. Höhepunkt war eine Zurechtweisung des CDU-Finanzministers Wolfgang Schäuble durch Lindner am Wochenende. Dem Steuersenkungsskeptiker Schäuble hatte Lindner zugerufen, er habe in der Sache einen Arbeitsauftrag der Koalitionsspitzen abzuarbeiten.

Am Montag klang das weit freundlicher. Die FDP-Spitze sehe gar keine Differenz zu Schäuble, der ebenfalls die Ungerechtigkeit der kalten Progression – die Steuer greift bei Lohnerhöhungen stärker zu – abmildern wolle: „Wir würden gerne vom Bundesfinanzminister wissen, durch welchen Mechanismus er die Wirkung der kalten Progression dämpfen oder reduzieren will“, sagte Lindner.

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