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Schwarz-gelbe Steuerpläne: Dieser Wortbruch war zu erwarten

Steuersenkungen und eine Sanierung der Staatsfinanzen versprachen Union und FDP im Wahlkampf. Doch nun zeichnet sich immer deutlicher ab: Aus Letzterem wird wohl nichts.

Während des Wahlkampfes konnte man zeitweise den Eindruck gewinnen, Union und FDP hätten ein Mittel zur Quadratur des Kreises gefunden. Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten und trotz gewaltig angestiegener Staatsverschuldung versprachen beide Parteien unverdrossen sowohl Steuersenkungen als auch eine solide Haushaltspolitik.

Die von manchem CDU-Politiker ursprünglich einmal vorgenommene vorsichtige Einschränkung, wonach die Steuern erst dann gesenkt werden könnten, wenn es für den Staat wieder zusätzliche Einnahmen gebe, war schon im Unions-Wahlprogramm hinfällig. Dort wurde, auch auf Druck der CSU, eine Steuersenkung für die neue Legislaturperiode in Aussicht gestellt – unabhängig von der Entwicklung der Einnahmen. FDP-Chef Guido Westerwelle legte sich gar fest, dass er einen Koalitionsvertrag ohne Steuersenkung nicht unterschreiben werde.

Seit Beginn der Koalitionsverhandlungen vor zwei Wochen ist allerdings endgültig für alle offensichtlich, was auch vorher schon bekannt war: Von erwartbaren Mehreinnahmen kann vorerst gar keine Rede sein. Stattdessen fehlen bis 2013 im Bundeshaushalt mindestens 30 Milliarden Euro, wobei es sich dabei noch um eine konservative Berechnung handelt. Zu tun hat dies mit der Schuldenbremse, die nicht zuletzt auf Druck der Union eingeführt wurde und das Schuldenmachen ab 2011 begrenzt. Hinzu kommen die Milliardenlöcher bei Kranken- und der Arbeitslosenversicherung. 

Nichtsdestotrotz halten Union und FDP unverdrossen an ihrem Trugbild fest, Steuererleichterungen und die Sanierung der Staatsfinanzen ließen sich auch vor diesem Hintergrund vereinbarem. Und nicht nur das. Seit der Wahl haben die künftigen Regierungspartner die Zwickmühle, in die sie sich selbst gebracht haben, noch verschärft durch eine dritte Handlungsmaxime: Schwarz-Gelb will nämlich niemandem wehtun – zumindest nicht vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2010. Höhere Sozialabgaben soll es deshalb ebenso wenig geben wie Leistungskürzungen und Einsparungen, mit denen die neue Regierung größere Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringen würde. 

Doch je länger die Verhandlungen dauern, desto deutlicher zeigt sich, was ohnehin zu erwarten war: Schwarz-Gelb kann nicht zaubern. Stattdessen werden sich die künftigen Koalitionäre wohl wieder einmal diverser Taschenspielertricks bedienen. Die Behauptung, dabei handele es sich um eine solide Haushaltspolitik nach dem Muster der von Angela Merkel bemühten schwäbischen Hausfrau, werden sie damit allerdings nur schwerlich aufrechterhalten können. 

Um nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, dass die geplanten Steuererleichterung mittels neuer Schulden, also auf Pump finanziert werden, ist nun beispielsweise die Einrichtung eines Schattenhaushaltes im Gespräch. Ähnlich wie bei dem zur Ankurbelung der Wirtschaft im Zuge der Krise eingerichteten Investitions- und Tilgungsfonds würde ein Fonds, aus dem die krisenbedingten Mehrausgaben der Sozialversicherungen beglichen würden, nicht den Bundeshaushalt belasten. In dem blieben dann Spielräume für die verheißenen Steuersenkungen. 

In eine ähnliche Richtung zielen Überlegungen, Ausgaben aus dem kommenden Jahr durch einen weiteren Nachtragshaushalt in dieses Jahr vorzuziehen und die dadurch 2010 entstehenden "Einsparungen" entsprechend zu nutzen. Dies  hätte zudem den Vorteil, dass die Neuverschuldung der kommenden Jahre niedriger ausfallen würde als 2009. Union und  FDP könnten also den Eindruck erwecken, im Zuge ihrer Regierungszeit seien kontinuierlich weniger Schulden gemacht worden. All solche geplanten Operationen und Luftbuchungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Schuldenlast des Staates nicht begrenzen, sondern steigern. Und die Steuerermäßigungen nicht solide finanziert werden können.

Von einer anderen Lösung, die zunächst erwogen wurde, ist nicht mehr die Rede. Man könne ja auch die Schuldenbremse mit Blick auf die akute Krisensituation aussetzen, soll die Kanzlerin selbst in den Verhandlungen vorgeschlagen haben. Dies löste allerdings bei ihren eigenen Parteifreunden Unmut aus. Zu offenkundig wäre in diesem Fall, dass die Union die Sanierung der Staatsfinanzen als ziemlich nachrangiges Ziel behandelt. 

Trotz alledem muss sich die neue Koalition wohl nicht allzu viele Sorgen machen, dass die Bürger ihr den Bruch eines ihrer zentralen Wahlversprechen allzu übel nehmen werden. Denn die sind in der Frage "Sparen oder Schulden machen" nicht weniger zerrissen als ihre Politiker. 

In Umfragen geben regelmäßig große Mehrheiten an, Haushaltskonsolidierung sei für sie ein wichtiges Ziel. 68 Prozent befürworteten zugleich in der letzten Politbarometer-Erhebung allerdings Steuersenkungen. Solange Politiker sicher sein können, es den Bürgern mit Steuersenkungen letztlich eher recht zu machen als mit Spar- und Kürzungsprogrammen, stehen die Chancen für eine echte Konsolidierungspolitik schlecht.

Quelle: ZEIT ONLINE, 20.10.2009

Katharina Schuler

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