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Schwarz-Grün: Der Wille ist Programm

Die Bündnispartner in Hamburg haben bisher vor allem eines bewiesen: Pragmatismus

Als Michael Freytag den Satz sprach, zuckte es sichtbar im Gesicht der Grünen-Verhandlungsführerinnen. Schließlich war es ein wichtiger Satz, einer, der der Basis der Grünen Alternativen Liste (GAL) in Hamburg nicht gefallen wird, weil sie im Wahlkampf für das Gegenteil kämpfte: „Die Elbvertiefung kommt in vollem Umfang.“ Andererseits war der Satz in der Inszenierung der künftigen schwarz-grünen Koalitionspartner am Donnerstagabend eine Marginalie. Denn im ehrwürdigen, goldgetäfelten Kaisersaal des Hamburger Rathauses wollten CDU und Grüne den Eindruck vermitteln, man habe eine politische Vision. Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) formulierte es bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages so: „Es geht nicht um taktisches Klein-Klein, und wir machen auch kein Experiment, sondern wir haben eine Chance für einen neuen politischen Weg.“

Hinter diesem Pathos wollte sich Christa Goetsch, die designierte zweite Bürgermeisterin und künftige Schulsenatorin, nicht verstecken und sprach von den „vielen Talenten“, die Hamburg habe und die man zu einer „kreativen Stadt“ zusammenführen wolle. Für das Grünen-Verständnis musste Freytags deutlicher Hinweis auf die Elbvertiefung eine Nebenbemerkung sein, damit die eigene Vision erkennbar wird: die Vernetzung der Themen Kita, Schule, Bildung, Integration. Den Grünen, das war auch Landeschefin Anja Hajduk anzumerken, geht es um den unbändigen Willen, die Politik der Stadt mitzubestimmen. Hätte man sich bei den strittigen Themen Kohlekraftwerk Moorburg und Elbvertiefung verhakt, hätte es diese Chance nicht gegeben. Auf diesem Pragmatismus fußt der 65-seitige Koalitionsvertrag.

Die 120 Verhandlungsstunden waren so still und leise vorbeigegangen, dass selbst die bei der Bürgerschaftswahl vom 24. Februar unterlegene SPD anerkannte: professionell. Das werde wohl vier Jahre halten. Dass man sich trotz großer politischer Differenzen überhaupt einigen konnte, lag vor allem am Einfluss von Beust, sagen die Grünen. Wenn die Stimmung zu kippen drohte oder keine Einigung bei Sachthemen möglich schien, griff Beust ein – mit Witz und Entschlossenheit. „Dass der so gut vorbereitet war, hätten wir nicht gedacht“, sagte ein Grüner. Oft war es sogar so, dass Beust mit viel Charme seine eigenen Fachleute überstimmte und schwarze und grüne Unterhändler gleichermaßen verblüffte.

Doch der Satz von Michael Freytag machte deutlich, dass die Grünen sich in Wahrheit keineswegs in strittigen Punkten durchsetzen konnten. Für die Elbvertiefung soll es als Ausgleich eine Stiftung geben, die sich mit der ökologischen Verbesserung der Elbe beschäftigen wird. Moorburg ist völlig offen, und die Grünen verweisen nur auf den Koalitionsvertrag, wo steht: „Die zuständige Behörde entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge.“ Die Behörde wird künftig von Anja Hajduk geleitet. Letztlich hoffen die Grünen, dass Vattenfall juristisch nicht erfolgreich sein wird. Ob das die Basis erträgt, bleibt abzuwarten. Wie sagte Beust: „Die Wirksamkeit des Koalitionsvertrages steht unter Vorbehalt.“

Am 27. April entscheidet bei den Grünen die Basis, tags darauf ein kleiner Parteitag der CDU. Die CDU-Führung wird ihren Leuten sagen: Keine Sorge, in der Regierung werden wir die Zügel noch härter anziehen. Die Grünen-Spitze wird argumentieren: Das ist nur der Anfang, wenn wir regieren, können wir mehr erreichen. Vielleicht stimmt ja auch ein Satz auf Seite 53 des Koalitionsvertrags die Basis milde: „Am Christopher-Street-Day soll auf dem Rathausmarkt die Regenbogenfahne gehisst werden.“

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